Inhaltsübersicht
Unternehmer/Beteiligungen
- Abschreibungen auf Windkraftanlagen auch vor Inbetriebnahme möglich
- Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
Arbeitgeber/Arbeitnehmer
- Mindestanforderung an ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
- Kein Auskunftsanspruch nicht berücksichtigter Stellenbewerber, aber Beweislastvorteil
- Übernachtungskosten und regelmäßige Arbeitsstätte bei Lkw-Fahrern
Umsatzsteuer
- Übergangsregelung zu Belegnachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ab 1.1.2012
- Einfuhrumsatzsteuer ohne vorherige Entrichtung als Vorsteuer abzugsfähig, wenn Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigter identisch sind
- Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über mehrere Jahre bei eBay kann umsatzsteuerpflichtig sein
Kinder
- Freiwilligendienste im Ausland sind keine Berufsausbildung
- Kindergeld für ein zum Selbstunterhalt unfähiges, studierendes Kind
Sonstiges
- Keine Veranlagung nach bestandskräftiger Ablehnung
- Ablehnung der Zusammenveranlagung von eingetragenen Lebenspartnerschaften auf dem rechtlichen Prüfstand
- Berechnung von Unterhaltsleistungen von Selbstständigen ist auf Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen
- Abschreibungen auf Windkraftanlagen auch vor Inbetriebnahme möglich
Ein Windpark setzt sich aus folgenden selbstständigen Wirtschaftsgütern zusammen:
Jede einzelne Windkraftanlage (WKA) mit Transformator und der inneren Verkabelung
- Externe Verkabelung vom Transformator bis zum Stromnetz sowie der Übergabestation, wenn dadurch mehrere WKA verbunden sind
- Zuwegung zur Anlage
Die Abschreibung kann vorgenommen werden, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten der Anlage auf den Erwerber übergegangen sind (sog. wirtschaftliches Eigentum). Eine Inbetriebnahme ist nicht erforderlich.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)
- Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
Kann die Finanzverwaltung einen Sanierungsgewinn, der einem Unternehmer aus dem sanierungsbedingten Erlass eines Gläubigers auf dessen Forderungen entstanden war, als sachlich unbillige Härte qualifizieren und den Sanierungsgewinn damit steuerfrei stellen? Die Frage stellt sich deshalb, weil der Gesetzgeber eine entsprechende gesetzliche Vorschrift mit Wirkung ab 1998 aufgehoben hatte.
Ein klärendes Wort der oberen Rechtsprechung ist zunächst nicht zustande gekommen, weil der anliegende Rechtsstreit sich erledigt hat, nachdem dem Unternehmer im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung gewährt worden war.
(Quelle: Beschluss des Bundesfinanzhofs)
- Mindestanforderung an ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
Wird ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt, kann der Privatanteil nach diesem Fahrtenbuch berechnet werden, sodass die 1 %‑Regelung nicht anzuwenden ist. Der Bundesfinanzhof hat inzwischen entschieden, wie ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch auszusehen hat, wobei insbesondere Datum und Ziel der jeweiligen Fahrten ausgewiesen werden müssen.
Eine GmbH hatte die Dienstwagenbesteuerung für ihren Gesellschaftergeschäftsführer nach der 1 %‑Regelung vorgenommen und später beim Finanzamt den Antrag gestellt, die private Nutzung für die Vergangenheit nach dem geführten Fahrtenbuch zu ermitteln. Das Finanzamt erkannte das Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß an und lehnte den Antrag ab, weil nur die Orte und Straßennamen, nicht aber z. B. die Hausnummer oder der Name des Kunden angegeben waren.
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht des Finanzamts. Es reichte auch nicht aus, dass der Geschäftsführer weitere Daten in seinem persönlichen Kalender aufgezeichnet und diese später in das Fahrtenbuch übertragen hatte.
Hinweis: Zur Vermeidung von Schwierigkeiten sollte ein Fahrtenbuch sorgfältig und lesbar ausgefüllt werden. Es bietet sich an, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Eintragungen von Zeit zu Zeit mit dem Steuerberater abzustimmen.
- Kein Auskunftsanspruch nicht berücksichtigter Stellenbewerber, aber Beweislastvorteil
Arbeitgeber müssen zukünftig verstärkt damit rechnen, von nicht berücksichtigten Stellenbewerbern auf Schadensersatz nach dem Antidiskriminierungsgesetz in Anspruch genommen zu werden, falls sie ihnen die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung nicht mitteilen und erläutern. Zwar hat der Europäische Gerichtshof entschieden, ein abgelehnter Stellenbewerber habe keinen Anspruch darauf, dass ihm der potenzielle Arbeitgeber mitteilt, wer stattdessen eingestellt wurde und nach welchen Kriterien. Eine vollständige Verweigerung von Auskünften könne aber den Verdacht einer Diskriminierung begründen, so dass der Arbeitgeber beweispflichtig dafür werde, dass eine solche nicht vorgelegen hat.
In diesem Zusammenhang legte der Europäische Gerichtshof dar, dass die Antidiskriminierungsrichtlinien des europäischen Rechts eine zweigeteilte Beweislast vorsähen: Der abgelehnte Stellenbewerber müsse Tatsachen nennen und gegebenenfalls beweisen, die den Verdacht einer Diskriminierung begründen. Gelinge ihm dies, sei es Sache des potenziellen Arbeitgebers, diesen Verdacht durch Angabe von Tatsachen zu entkräften.
Im vorliegenden Fall ging es um eine 45-jährige Ingenieurin russischer Herkunft, die sich auf eine Stelle als Softwareentwicklerin beworben hatte. Als sie keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhielt, dann aber feststellte, dass die Stelle ein weiteres Mal ausgeschrieben wurde und sie wiederum keine Einladung erhielt, verlangte sie von dem potenziellen Arbeitgeber Schadensersatz, weil sie wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden sei. Darüber hinaus verlangte sie, dass der potenzielle Arbeitgeber ihr die Bewerbungsunterlagen des eingestellten Konkurrenten zur Verfügung stelle, damit sie beweisen könne, dass sie über eine bessere Qualifikation verfüge. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, das Bundesarbeitsgericht legte das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vor, damit dieser über die Auslegung des höherrangigen europäischen Rechts entscheide.
Der Europäische Gerichtshof stellte fest, die deutschen Gerichte hätten die in den Antidiskriminierungsrichtlinien vorgeschriebenen Gleichbehandlungsziele zu beachten. Bei der Frage, ob genügend Indizien für eine Diskriminierung vorliegen, müssten daher alle Umstände berücksichtigt werden. Dazu zählte der Europäische Gerichtshof im vorliegenden Fall den Umstand, dass der potenzielle Arbeitgeber nicht bestritt, dass die Qualifikation der Bewerberin den Anforderungen der Stellenanzeige entsprach und dass die Stellenbewerberin von dem potenziellen Arbeitgeber nach Veröffentlichung der beiden Stellenausschreibungen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Diese Umstände könnten in Verbindung mit der Tatsache, dass der potenzielle Arbeitgeber der Stellenbewerberin überhaupt keine Auskünfte gegeben habe, den Verdacht einer Diskriminierung begründen mit der Folge, dass dann der potenzielle Arbeitgeber überzeugende Tatsachen vortragen müsse, weshalb er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Gelinge ihm dies nicht, könnten Schadensersatzansprüche der abgelehnten Bewerberin begründet sein.
- Übernachtungskosten und regelmäßige Arbeitsstätte bei Lkw-Fahrern
Ein im Fernverkehr tätiger Lkw-Fahrer machte in seiner Einkommensteuererklärung Übernachtungspauschalen von 5 € pro Übernachtung und wöchentliche Fahrten zum Lkw-Wechselplatz in Dänemark als Reisekosten geltend. Das Finanzamt lehnte den Ansatz von Übernachtungspauschalen ab und berücksichtigte die Fahrten nur als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Der Bundesfinanzhof ist allerdings großzügiger. Übernachtet ein Lkw-Fahrer in der Schlafkabine eines Lkw, sind keine Pauschalen für Übernachtungen auf Auslandsdienstreisen anzusetzen. Allerdings können pauschal Kosten für Benutzung der Duschen, Toiletten usw. auf Raststätten angesetzt werden. Dementsprechend sah das Gericht einen Satz von 5 € für angemessen an. Da weder Lkw noch der Lkw-Wechselplatz eine ortsfeste Einrichtung sind, handelt es sich auch nicht um eine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Fahrten von der Wohnung zum Lkw-Wechselplatz können deshalb in tatsächlicher Höhe berücksichtigt werden.
- Übergangsregelung zu Belegnachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ab 1.1.2012
Innergemeinschaftliche Warenlieferungen sind umsatzsteuerfrei, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Unternehmer müssen die Voraussetzungen u. a. durch sog. Buch- und Belegnachweise erbringen. Die Bundesregierung hatte grundlegende Änderungen beschlossen, die mit Wirkung zum 1.1.2012 in Kraft treten sollten. Die Verordnung sah dabei die Gelangensbestätigung als einzigen Belegnachweis vor.
Nach massiver Kritik hat das Bundesministerium der Finanzen eingelenkt und die Vorschrift bis zur Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) ausgesetzt. Die Anpassung der UStDV ist zum 1.1.2013 geplant.
Mindestens bis zu diesem Zeitpunkt kann der Nachweis mit den bis zum 31.12.2011 anerkannten Belegen geführt werden.
- Einfuhrumsatzsteuer ohne vorherige Entrichtung als Vorsteuer abzugsfähig, wenn Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigter identisch sind
Führt ein Unternehmer Waren aus Staaten ein, die nicht Mitglied der EU sind, fällt regelmäßig Einfuhrumsatzsteuer an. In bestimmten Fällen ist der Einführende Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Nach nationalem Recht kann der Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer unter der Voraussetzung als Vorsteuer abziehen, dass er die Einfuhrumsatzsteuer zuvor entrichtet hat.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Vorsteuerabzug nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Unternehmer die Vorsteuer zuvor entrichtet hat. Sind Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuerabzugsberechtigter dieselbe Person, kann der Vorsteuerabzug unabhängig von der Bezahlung der Einfuhrumsatzsteuer geltend gemacht werden. Ansonsten müsste der Unternehmer in Vorleistung gehen, was durch die Gemeinschaftsregeln gerade vermieden werden soll.
Die Entscheidung ist zwar zum französischen Recht ergangen, betrifft aber auch Deutschland. Auch hier ist nach derzeitiger Gesetzeslage der Vorsteuerabzug von der vorherigen Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer abhängig. Diese Einschränkung gilt nun nicht mehr.
- Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über mehrere Jahre bei eBay kann umsatzsteuerpflichtig sein
Ist der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über mehrere Jahre auf der Internet-Plattform eBay eine nachhaltige, unternehmerische und damit umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit? Dieses kann nur aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse entschieden werden.
Eine bereits beim Einkauf der Gegenstände bestehende Wiederverkaufsabsicht muss nicht gegeben sein. Eine nachhaltige Tätigkeit ist zu bejahen, wenn in drei Jahren aus insgesamt 841 Verkäufen 83.500 € erzielt und dabei ein erheblicher Organisationsaufwand, z. B. durch die genaue und werbemäßige Bezeichnung des Artikels, die Platzierung in einer Produktgruppe, die Zuweisung eines Mindestgebots, die Anfertigung von Fotos, die Überwachung des Versteigerungsvorgangs und des Zahlungseingangs sowie der unverzügliche Versand, betrieben wurde.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)
- Freiwilligendienste im Ausland sind keine Berufsausbildung
Der Freiwilligendienst ist grundsätzlich keine Berufsausbildung. Soweit er bei keiner nach dem Jugendfreiwilligendienstgesetz anerkannten Einrichtung abgeleistet wird, liegen auch nicht die sonstigen Voraussetzungen zur Gewährung eines Kinderfreibetrags vor.
Allerdings besteht die Möglichkeit der Anerkennung als Berufsausbildung durch einen im Ausland absolvierten Freiwilligendienst. Voraussetzung ist, dass die Auslandsdienstzeit durch einen angeschlossenen theoretisch-systematisch begleitend durchgeführten Sprachunterricht von mindestens 10 Wochenstunden ergänzt wird.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)
- Kindergeld für ein zum Selbstunterhalt unfähiges, studierendes Kind
Bei der Prüfung, ob ein an Depressionen leidendes Kind über sein 27. bzw. 25. Lebensjahr hinaus als behindertes Kind zu berücksichtigen ist, bedarf es eines Nachweises dieser seelischen Behinderung. Allein ein wiederholter Studienfachwechsel lässt keine Schlüsse auf die Leistungs- und Ausbildungsfähigkeit des Kindes zu.
Eine solche Behinderung muss für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein. Der Nachweis dafür kann in verschiedener Form geführt werden. Dazu reicht nicht nur die Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder eines Rentenbescheids. Auch Bescheinigungen oder Zeugnisse des behandelnden Arztes oder ein ärztliches Gutachten sind geeignet. Erst wenn eine solche behinderungsbedingte Verzögerung der Ausbildung über das 27. bzw. 25. Lebensjahr nachgewiesen ist, kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)
- Keine Veranlagung nach bestandskräftiger Ablehnung
Ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer bestandskräftig abgelehnt worden, kommt eine spätere erneute Veranlagung nicht mehr in Betracht.
Eine solche Antragsveranlagung ist u. a. nur durchzuführen, wenn die positive Summe der einkommensteuerlichen Einkünfte, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterlegen haben, mehr als 410 € beträgt. Nach der bis 2007 geltenden Regelung musste in diesen Fällen eine Einkommensteuererklärung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs eingereicht werden. Durch das Jahressteuergesetz 2008 ist die Zweijahresfrist weggefallen. Diese Änderung gilt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2005. Für frühere Jahre gibt es eine Übergangsregelung.
Weder nach der alten noch nach der neuen Regelung besteht die Möglichkeit, bei bestandskräftiger Ablehnung eine erneute Steuererklärung einzureichen. Auch durch Grundlagenbescheid später festgestellte negative Einkünfte rechtfertigen keine erneute Veranlagung.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)
- Ablehnung der Zusammenveranlagung von eingetragenen Lebenspartnerschaften auf dem rechtlichen Prüfstand
Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs steht das Recht auf eine Zusammenveranlagung nur Ehegatten zu. Für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ist eine analoge Anwendung gesetzlich nicht vorgesehen. Grundgesetzlich ist lediglich die Ehe zu schützen und zu fördern. Eine Ausdehnung des Splittingverfahrens auf eingetragene Lebenspartnerschaften würde auch zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Benachteiligung von nahen Verwandten führen, die eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden.
Allerdings ist den Antragstellern vorläufiger Rechtsschutz dadurch gewährt worden, dass das beklagte Finanzamt Aussetzung der Vollziehung einräumen muss. Beim Bundesverfassungsgericht liegen nämlich mehrere Verfahren, in denen auch über das Recht auf eine Zusammenveranlagung für eingetragene Lebenspartnerschaften zu entscheiden ist.
- Berechnung von Unterhaltsleistungen von Selbstständigen ist auf Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen
Ein Gewerbetreibender machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2008 Unterhaltsleistungen an seine bedürftige Mutter in Höhe von 4.284 € geltend. Das Finanzamt berücksichtigte nur 1.379 €, die es auf Grundlage der Einkünfte 2008 abzüglich Steuern berechnete.
Der Bundesfinanzhof hält diese Berechnung nicht für korrekt, weil sie Schwankungen, die bei Einkünften von Selbstständigen regelmäßig vorkommen, nicht berücksichtigt. Richtig ist deshalb eine Berechnung auf der Grundlage von drei Jahren. Dabei sind Steuerzahlungen in den Jahren zu berücksichtigen, in denen sie gezahlt werden.