Auflagen zum Schallschutz für Festival Folklore 2015 in Wiesbaden waren rechtmäßig

Das VG Wiesbaden wies die Klage einer Anwohnerin zurück, die durch das Gericht festgestellt wissen wollte, dass die Auflagen zum Schallschutz durch die Landeshauptstadt Wiesbaden für das 39. Folklorefestival 2015 rechtswidrig waren (Az. 4 K 1275/15.WI).

 

Auflagen zum Schallschutz für Festival Folklore 2015 in Wiesbaden waren rechtmäßig

 

VG Wiesbaden, Pressemitteilung vom 18.02.2016 zum Urteil 4 K 1275/15.WI vom 17.02.2016

 

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden wies durch Urteil vom 17.02.2016 die Klage einer Anwohnerin zurück, die durch das Gericht festgestellt wissen wollte, dass die Auflagen zum Schallschutz durch die Landeshauptstadt Wiesbaden für das 39. Folklorefestival 2015 rechtswidrig waren.

 

Die Klägerin beanstandete, dass durch das Folklorefestival, das einmal jährlich am „Kulturpark Salzbachtal“ in der Murnaustraße (Schlachthofgelände) an vier Tagen stattfand die für ein reines Wohngebiet vorgeschriebenen Immissionsrichtwerte überschritten würden. An zwei Tagen seien die Lärmwerte sogar erheblich überschritten worden, da die Veranstaltung bis 24:00 Uhr erlaubt worden sei. Es bedürfe der Erstellung eines Lärmkonzepts, das die Veranstaltungsorte, die Veranstaltungen und ihre Auswirkungen auf Wohngebiete erfasse, wie dies in anderen Städten auch gemacht werde. Insbesondere seien auch Alternativstandorte für das Festival zu prüfen gewesen.

 

Die Kammer wies die Klage ab, da die Stadt Wiesbaden alle rechtlichen Vorgaben eingehalten habe. Es gebe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Freizeitlärm keine rechtlich verbindlich vorgegebenen Mess- und Beurteilungsverfahren. Die Behörde habe jeweils im Einzelfall die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen zu prüfen. Für diese Beurteilung sei die Freizeitlärm-Richtlinie maßgebend heranzuziehen. Danach sei insbesondere die Häufigkeit der Störereignisse, die kommunale Bedeutung und soziale Adäquanz der Veranstaltung zu berücksichtigen. Die Freizeitlärm-Richtlinie führe als Beispiel für eine Veranstaltung von sozialer Funktion und Bedeutung ausdrücklich auch das Wiesbadener Folklorefestival als örtlich einmaliges Jugendfestival auf. Im Übrigen habe die Stadt darauf hingewiesen, dass auf dem Schlachthofgelände nicht mehr als zehn potenziell störende Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt werden. Damit habe die Stadt Wiesbaden nach Auffassung der Kammer alle Gesichtspunkte hinreichend berücksichtigt, so dass an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung keine Zweifel bestehen. Andere Standorte für das Festival, die in der mündlichen Verhandlung auch erörtert wurden, kamen nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht. Gegen das Urteil (4 K 1275/15.WI) ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung möglich, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat.

 

Hinweise zur Rechtslage:

 

Auszug aus der Freizeitlärm-Richtlinie des LAI (Länderausschuss für Immissionsschutz) i. d. F. vom 6. März 2015

4.4 Sonderfallbeurteilung bei seltenen Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz

Bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten können die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mit unter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden.

 

4.4.1 Standortgebundenheit, soziale Adäquanz und Akzeptanz der Veranstaltungen

In Sonderfällen können solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie

 

  • eine hoheStandortgebundenheit oder sozialeAdäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem
  • zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden.

 

Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. In diesem Sinne sind standortgebunden beispielsweise Großveranstaltungen wie der Hessentag, die Kieler Woche und mancherorts auch einzelne Konzerte in exponierter Innenstadtlage. Ebenso können hierunter Feste mit kommunaler Bedeutung – wie die örtliche Kirmes oder das jährliche Fest der Feuerwehr , sowie besondere Vereinsfeiern (z. B. Meisterschaften für Modellfahrzeuge) fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Sozial adäquat sind beispielsweise örtlich einmalige Jugendfestivals, wie etwa das Wiesbadener Folklorefestival. Sozial akzeptiert ist zum Beispiel der von einem Großteil der Anwohner zumindest geduldete Karneval der Kulturen in Berlin.

 

4.4.2 Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit

In derartigen Sonderfällen prüft die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen:

 

  • Unvermeidbarkeit
    Trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen ist eine Überschreitung aufgrund der Umgebungsbedingungen und der Mindestversorgungspegel entsprechend VDI 3770:2012,09 unvermeidbar. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn lokal geeignete Ausweichstandorte nicht zur Verfügung stehen.
  • Zumutbarkeit
    Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
    a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
    b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
    c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
    d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
    e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten. Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt: In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.

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Quelle: DATEV eG