BFH: Steuerpflichtige Vermittlungsleistungen

Der BFH hat zur Umsatzsteuerpflicht bei Schiffsmaklerprovisionen und zur Einheitlichkeit der Leistung Stellung genommen (Az. V R 4/22).

BFH, Urteil V R 4/22 vom 18.01.2024

Leitsatz

  1. Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von – zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden – Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, sodass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.
  2. Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i. V. m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 25.02.2022 – 6 K 134/20 aufgehoben.

Die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 vom 23.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2014 um … € auf … €, für 2015 um … € auf … € und für 2016 um … € auf … € herabgesetzt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Jahren 2014 bis 2016 (Streitjahre) eine Seehafen-Spedition. Sie erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung (Schiffsabfertigung und -versorgung) von Seeschiffen. Hierfür beauftragten die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe (Schifffahrtsgesellschaften) einen –auch als Schiffsmakler bezeichneten– Klarierungsagenten. Im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Klägerin, schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte er die Klägerin per E-Mail über die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung während der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Klägerin bis zu 70 unterschiedliche Leistungen.

2

Die Klägerin rechnete –getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen– gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete.

3

Der Klarierungsagent erhielt von der Klägerin eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das die Klägerin für die von ihr gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. Über diese Provision erteilte die Klägerin dem Klarierungsagenten –getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen– Gutschriften und wies dabei Umsatzsteuer aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt –FA–) den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25 %, da die Klägerin die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei gewesen seien, und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1145 veröffentlichten Urteil ab. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nicht, da die Vermittlungsleistungen gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei seien, soweit sie sich auf vermittelte steuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG bezögen. Auch wenn der jeweilige Klarierungsagent nur jeweils einen Auftrag vermittelt habe, liege keine einheitliche Leistung vor. Entscheidend für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG sei die Vermittlung von Umsätzen gemäß § 4 Nr. 2 UStG und damit die Abhängigkeit zu den vermittelten Leistungen. Die Provision sei nur ein Annex der vermittelten Leistungen, so dass sich ihre umsatzsteuerliche Qualifizierung nach diesen Leistungen richte. Dies gelte auch, wenn nach der Vermittlung weitere Leistungen beauftragt worden seien. Der Auftrag des Maklers sei ein „Rahmenauftrag“, der sich mit jeder ausgeführten Leistung konkretisiere. Die vom FA vorgenommene Betrachtung führe nicht zu einer künstlichen Aufspaltung einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung, denn maßgeblich sei nicht der Auftrag des Klarierungsagenten, sondern der Zusammenhang mit den an die Schifffahrtsgesellschaften erbrachten Leistungen. Diese Leistungen seien nicht so eng miteinander verbunden, dass sie eine untrennbare Einheit bildeten. Gegen eine einheitliche Leistung spräche zudem, dass die Steuerfreiheit der Vermittlungsleistung in diesem Fall vom weiteren Verlauf des Auftrags abhängig wäre.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe auch für den Provisionsanteil, der auf die Erbringung steuerfreier Leistungen entfalle. Die Klarierungsagenten hätten eine einheitliche Vermittlungsleistung erbracht, die sich auf die Vermittlung steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze bezogen habe und daher insgesamt steuerpflichtig sei. Die vom FG vorgenommene Aufteilung der Provisionen widerspreche den Grundsätzen zur Ermittlung der Mehr- oder Einheit von Leistungen und führe zu einer künstlichen Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs. Die Annahme des FG, dass die Vermittlung nur ein Annex der vermittelten Leistungen sei, widerspreche der Feststellung des FG, dass jeweils nur ein Auftrag vermittelt worden sei, und führe zu der –vom FG gerade nicht gewollten– Aufspaltung einer einheitlichen Leistung. Aus der Feststellung, dass jeder Klarierungsagent nur einen Auftrag erteilt habe, folge zwingend, dass er nur eine einzige Leistung erbracht habe, die in der Vermittlung eines Leistungsbündels bestünde.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 vom 23.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 dahingehend zu ändern, dass die Vorsteuerbeträge für 2014 um … €, für 2015 um … € und für 2016 um … € erhöht werden.

8

Das FA hält das FG-Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Es verteidigt die Vorentscheidung und weist darauf hin, dass aufgrund eines Rahmenvertrags keine einheitliche Leistung vorliege.

 

II.

10

Der Senat entscheidet in der geschäftsplanmäßigen Besetzung ohne die gemäß § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 41 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossene Richterin am Bundesfinanzhof A mit der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) für das Jahr 2024 (BStBl II 2024, 2) für deren Vertretung zuständigen Richterin am Bundesfinanzhof B.

11

Nach § 51 Abs. 1 FGO gelten für die Ausschließung oder Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 ZPO sinngemäß. Auf der Grundlage des § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter unter anderem ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Die Regelung betrifft die Mitwirkung beim Erlass der angefochtenen Entscheidung selbst in einer früheren (unteren) Instanz (BFH-Beschluss vom 20.07.2023 – V R 13/21, BFHE 282, 40, BStBl II 2023, 1068, Rz 10). Dies trifft auf die Richterin am Bundesfinanzhof A zu, die an dem Urteil der Vorinstanz beteiligt war.

 

III.

12

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die vom FG vorgenommene Vorsteuerkürzung erweist sich als unzutreffend, da die Gutschriften in vollem Umfang gesetzlich geschuldete Steuerbeträge ausweisen. Entgegen dem Urteil des FG erbrachte der jeweilige Klarierungsagent bezogen auf das jeweilige Seeschiff nur eine Vermittlungsleistung, nicht aber mehrere Vermittlungsleistungen. Diese einheitliche Vermittlungsleistung ist steuerpflichtig und nicht –wie vom FG auf der Grundlage einer Leistungsmehrheit angenommen– entsprechend den von der Klägerin ausgeführten Leistungen steuerfrei.

13

1. Das FG hat seiner Entscheidung im Ausgangspunkt zwar zutreffend die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Mehr- und Einheit von Leistungen zugrunde gelegt. Die danach maßgeblichen Grundsätze hat es aber rechtsfehlerhaft im Streitfall angewendet, so dass sein Urteil aufzuheben ist.

14

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.02.2019 – V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 15 ff., m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung und vom 16.03.2023 – V R 17/21, BFH/NV 2023, 965, Rz 18).

15

b) Obwohl die Gesamtbetrachtung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob zwei getrennte Leistungen gegeben sind, im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG ist, an die der BFH grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), kann diese Bindungswirkung im Einzelfall entfallen. Denn nach ständiger Rechtsprechung hat der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung der Auslegung von Verträgen durch das FG auch nachzuprüfen, ob das FG die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten, erforscht und zutreffend gewürdigt hat (BFH-Urteile vom 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz 33 zur Garantiezusage; vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 35 zur Dinner-Show und vom 05.09.2019 – V R 57/17, BFHE 266, 430, BStBl II 2020, 356, Rz 34 zur Veräußerung von Kapitallebensversicherungen).

16

Im Streitfall ist danach die Bindung an die Würdigung durch das FG entfallen, da es die maßgebliche Interessenlage der Beteiligten, wie sie sich aus den der Leistungserbringung zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen ergibt, außer Betracht gelassen hat. Auf deren Grundlage ergibt sich die Einheitlichkeit der Vermittlungsleistung im Streitfall aus dem von allen Beteiligten verfolgten Zweck, die Klarierung innerhalb der geplanten Liegezeit eines Seeschiffes durchzuführen und in dieser Zeit Schiff und Besatzung für die Weiterfahrt mit allen hierfür erforderlichen Leistungen zu versorgen. Da ein Seeschiff einen Seehafen erst wieder verlassen kann, nachdem alle Pflichten im Zusammenhang mit dem Ein- und Auslaufen erfüllt, notwendige Reparaturen abgeschlossen sind und sich die Besatzung verproviantiert hat, kam es dem jeweiligen Klarierungsagenten, der hierfür gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft verantwortlich war, gerade darauf an, durch einen einzigen Vermittlungsakt dafür zu sorgen, dass alle erforderlichen Leistungen, für deren Erbringung ein bestimmter Hafendienstleister in Betracht kommt, erledigt wurden. Welche Leistungen infolge der Vermittlung im Einzelnen zu erbringen waren, war im Zeitpunkt der Vermittlung nicht nur überwiegend unklar, sondern vor dem Hintergrund des Zwecks der Vermittlungsleistung –die Gewährleistung einer reibungslosen Klarierung des Seeschiffes– für den Klarierungsagenten zudem von nachrangiger Bedeutung. Die im Zeitpunkt der Vermittlung fehlende Konkretisierung der vermittelten Leistungen war –entgegen dem Urteil des FG– geradezu typisch für diese Dienstleistung.

17

Hiergegen spricht nicht, dass die dem jeweiligen Klarierungsagenten zustehende Provision nicht pauschal berechnet wurde, sondern vom Wert der infolge der Vermittlung erbrachten Leistungen abhängig war. Eine solche quotale Preisgestaltung ist nicht nur typisch für Provisionen, sondern im Streitfall dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der Unwägbarkeiten, mit denen die Klarierung eines Seeschiffes behaftet ist, im Zeitpunkt der Vermittlung noch nicht absehbar war, welche Leistungen die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft tatsächlich in Auftrag geben würde. Die Provisionsabrede war somit keine gesonderte Entgeltvereinbarung für verschiedene Leistungselemente, sondern eine Absprache über den variablen Preis einer (einzigen) Vermittlungsleistung.

18

2. Auf dieser Grundlage liegt im Streitfall eine –jeweils auf die Abfertigung eines Schiffes bezogene– steuerpflichtige Vermittlungsleistung des Klarierungsagenten vor.

19

a) Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von –zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden– Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.

20

So verhält es sich im Streitfall, in dem der jeweilige Klarierungsagent die Klägerin informierte, dass die Schifffahrtsgesellschaft sie mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Klarierung eines von ihm der Klägerin benannten einlaufenden Seeschiffes beauftragen werde. Die Klägerin erbrachte sodann bis zu 70 einzelne steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen, deren Bedarf teilweise bereits feststand, als sie über den Schiffseinlauf informiert wurde, und die teilweise nachträglich –auch durch die Schiffsbesatzung– in Auftrag gegeben wurden. Dass der Klarierungsagent die Klägerin bei Gelegenheit der Vermittlung über einzelne, von der Schifffahrtsgesellschaft bereits angeforderte Leistungen informierte, steht der Einheitlichkeit des einen Vermittlungsvorgangs nicht entgegen.

21

b) Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

22

aa) Steuerfrei ist gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG die Vermittlung der Umsätze für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG). Diese Steuerbefreiung dient der Umsetzung von Art. 153 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie –MwStSystRL–). Danach befreien die Mitgliedstaaten „Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, von der Steuer, wenn sie in den Kapiteln 6, 7 und 8 genannte Umsätze oder Umsätze außerhalb der Gemeinschaft betreffen“, wozu insbesondere die in Art. 148 Buchst. a bis d MwStSystRL genannten Umsätze im Zusammenhang mit Schiffen gehören. Die Tatbestandsvoraussetzungen der in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen stellen autonome unionsrechtliche Begriffe dar (BFH-Urteil vom 09.10.2003 – V R 5/03, BFHE 203, 395, BStBl II 2003, 958, unter II.2.) und sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen (EuGH-Urteile BlackRock Investment Management (UK) vom 02.07.2020 – C-231/19, EU:C:2020:513, Rz 22 f.; Finanzamt X vom 04.05.2023 – C-516/21, EU:C:2023:372, Rz 35 zu Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL).

23

bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern –nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und f MwStSystRL– liegt eine Vermittlung vor, wenn eine Mittelsperson, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrags einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrags erbracht werden, unterscheidet, das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln (EuGH-Urteile CSC Financial Services vom 13.12.2001 – C-235/00, EU:C:2001:696, Rz 39; Ludwig vom 21.06.2007 – C-453/05, EU:C:2007:369, Rz 23, 28; BFH-Urteile vom 30.10.2008 – V R 44/07, BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, unter II.1.; vom 08.09.2011 – V R 42/10, BFHE 235, 492, BStBl II 2012, 248, Rz 19; vom 12.12.2012 – XI R 30/10, BFHE 239, 526, BStBl II 2013, 348, Rz 28; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.05.2009 – V R 7/08, BFHE 226, 172, BStBl II 2010, 80, unter II.1.b aa; EuGH-Urteil Arthur Anderson vom 03.03.2005 – C-472/03, EU:C:2005:135, Rz 36). Eine Vermittlungsleistung kann auch darin bestehen, die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags zu vermitteln, ohne dass der Inhalt dieses Vertrags bereits feststehen muss (zum „Tippgeber“ Prätzler in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 8 Rz 47; vgl. BFH-Urteil vom 28.05.2009 – V R 7/08, BFHE 226, 172, BStBl II 2010, 80, unter II.1.b aa).

24

cc) Dies ist auch dem Begriff des Vermittlers in Art. 153 Abs. 1 MwStSystRL zugrunde zu legen, da für das Erfordernis einer hiervon abweichenden Begriffsbildung in diesem Bereich keine sachlichen Gründe vorliegen. Daher muss die steuerfreie Vermittlungsleistung im Sinne von § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG im Streitfall einen eindeutigen Bezug zu konkreten Umsätzen im Sinne von § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG aufweisen. Es genügt nicht, dass lediglich ein geschäftlicher Kontakt –zu einem Kunden– vermittelt wird, in dessen Folge es zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht konkretisierter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

25

Die demgegenüber vom FG –auf der unzutreffenden Grundlage einer Mehrzahl von Vermittlungsleistungen– vorgenommene Annexbetrachtung wie auch die Annahme eines bloßen Rahmenvertrags stehen damit nicht in Einklang. Aus dem Umstand, dass zeitlich nach einer Vermittlungstätigkeit auch steuerfreie Umsätze ausgeführt wurden, kann nicht geschlossen werden, dass insoweit eigenständige Vermittlungsleistungen vorliegen, die gesondert auf die Vermittlung dieser steuerfreien Leistungen gerichtet sind. Dies lässt unberücksichtigt, dass es die Vermittlungsleistung gerade ausmacht, nicht mit der vermittelten Leistung identisch zu sein, da die Vermittlung eine eigenständige Leistung ist, die sich hinsichtlich der Vertragsparteien und der wesentlichen Vertragsinhalte von der vermittelten Leistung unterscheidet (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.03.2022 – V R 35/20, BFHE 276, 377, BStBl II 2023, 150, Rz 18), was sich im Streitfall daraus ergibt, dass es vorrangig um die Vermittlung eines geschäftlichen Kontakts zur Erbringung nicht abschließend bestimmter Leistungen ging.

26

dd) Die jeweils einheitliche Vermittlungsleistung ist auch nicht anteilig steuerfrei. Ebenso wie eine einheitliche Leistung zum Beispiel einem einzigen Steuersatz unterliegen muss (EuGH-Urteile Stadion Amsterdam vom 18.01.2018 – C-463/16, EU:C:2018:22, Rz 26; BlackRock Investment Management (UK) vom 02.07.2020 – C-231/19, EU:C:2020:513, Rz 35; Finanzamt X vom 04.05.2023 – C-516/21, EU:C:2023:372, Rz 36), kommt eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich nicht in Betracht. Für die Annahme einer ausnahmsweise gegebenenfalls möglichen Aufteilung ergeben sich insbesondere aus dem Einleitungssatz von § 4 UStG, dem Wortlaut von § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG oder dem Normzusammenhang dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte. Es war im Zeitpunkt der Erbringung der Vermittlungsleistungen weitgehend unklar, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Vermittlung steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen erbringen würde. Hierfür spricht im Streitfall auch, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen zu etwa 75 % und damit zu einem weit überwiegenden Anteil steuerpflichtig waren.

27

3. Die Sache ist spruchreif, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann.

28

a) Der Klägerin steht der betragsmäßig zwischen den Beteiligten unstreitige Vorsteuerabzug aus den Gutschriften für Provisionen auf die Vermittlung steuerfreier Umsätze zu, da der Klarierungsagent für jeden Schiffseinlauf jeweils eine einzige –gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Inland steuerbare– Vermittlungsleistung erbrachte. Da diese Vermittlungsleistung nicht konkret auf die Vermittlung einzelner steuerfreier Leistungen gerichtet war, ist sie nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei und unterliegt damit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG). Damit weisen die Gutschriften im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gesetzlich geschuldete Steuerbeträge aus.

29

b) Soweit die Klägerin die Vermittlungsleistung nicht nur zur Ausführung steuerpflichtiger, sondern auch für steuerfreie Ausgangsleistungen gegenüber den Schifffahrtsgesellschaften verwendete, kommt es nicht zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, da insoweit nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG steuerfreie Ausgangsleistungen vorliegen, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG zum Vorsteuerabzug berechtigen. Sollte die Klägerin einzelne sonstige Leistungen nach Maßgabe von § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Ausland erbracht haben, ergibt sich dasselbe im Hinblick auf den dann anzuwendenden § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a UStG.

30

4. Ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. zu den Voraussetzungen EuGH-Urteile CILFIT u.a. vom 06.10.1982 – 283/81, EU:C:1982:335, Rz 21 und Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi vom 06.10.2021 – C-561/19, EU:C:2021:799, Rz 66). Für den Senat bestehen keine Zweifel an der Auslegung des Vermittlungsbegriffs, wie er Art. 153 Abs. 1 MwStSystRL zugrunde liegt.

31

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Quelle: Bundesfinanzhof

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Schaden am Mietauto – wer zahlt?

Wird ein Mietauto beschädigt zurückgegeben, muss die Autovermietung beweisen, dass das Auto ohne Schäden übergeben wurde. Beweiserleichterungen gibt es nicht. Das LG Lübeck verneinte in einem aktuellen Fall eine Ersatzpflicht des Mieters (Az. 6 O 82/23).

LG Lübeck, Mitteilung vom 20.06.2024 zum Urteil 6 O 82/23 vom 06.03.2024 (rkr)

Wird ein Mietauto beschädigt zurückgegeben, muss die Autovermietung beweisen, dass das Auto ohne Schäden übergeben wurde. Beweiserleichterungen gibt es nicht. Das Landgericht Lübeck verneinte kürzlich eine Ersatzpflicht des Mieters.

Was ist passiert?

Ein Mann mietet ein Auto. Der Zustand des Autos wird bei Übergabe nicht protokolliert. Als der Mann das Auto zurückgibt, werden Schäden festgestellt. Die Autovermietung verlangt von dem Mann Schadensersatz – das Auto sei bei Übergabe unbeschädigt gewesen, der Beklagte habe die Schäden verursacht. Der Mann will nicht zahlen – nicht er, sondern ein Vormieter habe die Schäden verursacht; er habe das Auto bereits beschädigt übernommen.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hat Mitarbeiter der Autovermietung als Zeugen befragt und entschieden, dass der Mann die Reparaturkosten nicht zahlen muss. Die Autovermietung habe nicht bewiesen, dass der Mann die Schäden verursacht habe. Die Mitarbeiter hätten sich an den Zustand des Autos bei Übergabe nicht erinnern können. Beweiserleichterungen gebe es nicht.

Wie ist die Rechtslage?

Wer von einem anderen für eine beschädigte Sache Ersatz verlangt, muss beweisen, dass der andere den Schaden verursacht hat. Dieser Grundsatz gilt auch bei einer Autovermietung. Der Vermieter kann nur Geld für Schäden am Mietwagen verlangen, wenn er beweisen kann, dass das Auto bei der Übergabe keine Schäden hatte. Ein vom Mieter unterschriebenes Protokoll über den Zustand des Autos bei der Übergabe kann als Beweis dienen.

Das Urteil vom 06.03.2024 (Az. 6 O 82/23) ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck

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Erzeugerpreise im Mai 2024: -2,2 % gegenüber Mai 2023

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im Mai 2024 um 2,2 % niedriger als im Mai 2023. Im April 2024 hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei -3,3 % gelegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, blieben die Erzeugerpreise im Mai 2024 gegenüber dem Vormonat April 2024 unverändert (0,0 %).

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20.06.2024

Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz), Mai 2024
-2,2 % zum Vorjahresmonat
0,0 % zum Vormonat

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im Mai 2024 um 2,2 % niedriger als im Mai 2023. Im April 2024 hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei -3,3 % gelegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, blieben die Erzeugerpreise im Mai 2024 gegenüber dem Vormonat April 2024 unverändert (0,0 %).

Hauptursächlich für den Rückgang der Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahresmonat waren auch im Mai 2024 die Preisrückgänge bei Energie. Vorleistungsgüter waren ebenfalls billiger als im Mai 2023, während Konsum- und Investitionsgüter teurer waren.

Starke Preisrückgänge bei Erdgas in der Verteilung und Strom

Energie war im Mai 2024 um 6,4 % billiger als im Mai 2023. Gegenüber April 2024 sanken die Energiepreise um 0,5 %. Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei Energie hatten die Preisrückgänge für Erdgas und elektrischen Strom. Die Gaspreise fielen über alle Abnehmergruppen betrachtet gegenüber Mai 2023 um 16,3 % (-0,6 % gegenüber April 2024). Strom kostete im Mai 2024 über alle Abnehmergruppen hinweg 11,3 % weniger als im Mai 2023. Gegenüber dem Vormonat April 2024 stiegen die Strompreise um 0,8 %.

Mineralölerzeugnisse waren 3,3 % teurer als im Mai 2023. Gegenüber April 2024 fielen diese Preise um 2,9 %. Leichtes Heizöl kostete 13,4 % mehr als ein Jahr zuvor (-7,8 % gegenüber April 2024). Kraftstoffe waren 3,5 % teurer als im Mai 2023 (-4,0 % gegenüber April 2024).

Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise unverändert gegenüber Mai 2023 (0,0 %) und stiegen gegenüber April 2024 um 0,3 %.

Preisrückgänge bei Vorleistungsgütern vor allem durch Preissenkungen bei Papier und Pappe sowie bei chemischen Grundstoffen

Die Preise für Vorleistungsgüter waren im Mai 2024 um 1,8 % niedriger als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem Vormonat stiegen sie um 0,3 %.

Der Preisrückgang im Vorjahresvergleich wurde vor allem durch die Preisentwicklung für Papier, Pappe und Waren daraus sowie durch chemische Grundstoffe verursacht. Papier, Pappe und Waren daraus waren 6,1 % billiger als im Mai 2023. Gegenüber dem Vormonat stiegen diese Preise um 0,4 %. Zeitungsdruckpapier kostete 16,1 % weniger als im Mai 2023, Schachteln und Kartons aus Wellpapier oder Wellpappe verbilligten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,3 %. Chemische Grundstoffe waren insgesamt 4,9 % billiger als im Vorjahresmonat. Besonders stark sanken die Preise gegenüber Mai 2023 für Düngemittel und Stickstoffverbindungen (-19,3 %).

Holz sowie Holz- und Korkwaren kosteten 4,5 % weniger als im Mai 2023. Spanplatten verbilligten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 14,8 %, Faserplatten um 10,5 %.

Die Preise für Metalle lagen mit -4,1 % ebenfalls deutlich unter denen des Vorjahresmonats. Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen kosteten 11,3 % weniger als im Mai 2023. Die Preise für Betonstahl in Stäben sanken im Vorjahresvergleich um 8,0 %. Futtermittel für Nutztiere war 8,9 % und Glas und Glaswaren 6,5 % günstiger als im Vorjahresmonat.

Preissteigerungen gegenüber Mai 2023 gab es dagegen unter anderem bei Mörtel (+5,0 %), Gipserzeugnissen für den Bau (+3,7 %) und Kalk (+2,7 %). Natursteine, Kies, Sand, Ton und Kaolin kosteten 6,2 % mehr als im Vorjahresmonat.

Preisanstiege bei Investitionsgütern

Die Preise für Investitionsgüter waren im Mai 2024 um 2,4 % höher als im Vorjahresmonat (+0,2 % gegenüber April 2024). Maschinen kosteten 2,6 % mehr als im Mai 2023. Die Preise für Kraftwagen und Kraftwagenteilen stiegen um 1,6 % gegenüber Mai 2023.

Verbrauchsgüter waren im Mai 2024 um 0,4 % teurer als im Mai 2023 (+0,1 % gegenüber April 2024). Nahrungsmittel kosteten im Mai 2024 mit -0,2 % leicht weniger als im Mai 2023. Billiger als im Vorjahresmonat war im Mai 2024 insbesondere Milch (-9,9 %). Süßwaren hingegen waren 21,7 % teurer als im Mai 2023. Butter kostete 21,4 % mehr als im Vorjahr, gegenüber April 2024 stiegen die Butterpreise um 1,0 %.

Gebrauchsgüter waren im Mai 2024 um 0,7 % teurer als ein Jahr zuvor. Gegenüber April 2024 sanken diese Preise um 0,1 %.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

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Weniger Einkommensteuerpflichtige im Corona-Jahr 2020

Im Jahr 2020 erzielten die 42,7 Millionen in Deutschland erfassten Steuerpflichtigen Einkünfte in Höhe von 1,9 Billionen Euro. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sank die Zahl der Steuerpflichtigen im ersten Jahr der Corona-Pandemie damit erstmals seit über zehn Jahren – und zwar um 100.000 (-0,2 %) gegenüber dem Jahr 2019.

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20.06.2024

  • Im ersten Jahr der Corona-Pandemie sank die Zahl der Steuerpflichtigen um 100.000 gegenüber dem Vorjahr – das war der erste Rückgang seit über zehn Jahren
  • Rückgang der Bruttolöhne um 0,7 % vor allem wegen der geringeren Zahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
  • Über sechsmal so viele Personen wie im Vor-Pandemiejahr 2019 erhielten Lohnersatzleistungen, Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mehr als verdoppelt
  • 119.500 Steuerpflichtige zahlten einen Steuersatz von 45 %

Im Jahr 2020 erzielten die 42,7 Millionen in Deutschland erfassten Steuerpflichtigen Einkünfte in Höhe von 1,9 Billionen Euro. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, sank die Zahl der Steuerpflichtigen im ersten Jahr der Corona-Pandemie damit erstmals seit über zehn Jahren – und zwar um 100.000 (-0,2 %) gegenüber dem Jahr 2019. Zusammen veranlagte Personen werden dabei als ein Steuerpflichtiger gezählt. Die Höhe der Einkünfte stieg – auch wegen der darin enthaltenen Corona-Soforthilfen – um 6 Milliarden Euro (+0,3 %). Die von den Arbeitgebern einbehaltene Lohnsteuer summierte sich zusammen mit der von den Finanzbehörden festgesetzten Einkommensteuer auf 335 Milliarden Euro, das waren 560 Millionen Euro (+0,2 %) mehr als im Jahr 2019. Diese Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik liegen aufgrund der langen Fristen zur Steuerveranlagung erst etwa dreieinhalb Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres vor.

Rückgang der Bruttolöhne um 0,7 %

Den größten Anteil an den Einkünften bildeten die Bruttolöhne mit 1,5 Billionen Euro im Jahr 2020. Im Vergleich zum Vorjahr war dabei ein Rückgang von 11 Milliarden Euro zu verzeichnen (-0,7 %), der sich nahezu vollständig auf die geringere Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zurückführen lässt (-0,7 %). Der mittlere Bruttolohn (Median) sank dabei um 106 Euro auf rund 28.200 Euro. Das heißt, dass die eine Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger oder genau diesen Betrag erhielt, während die Bruttolöhne der anderen Hälfte darüber lagen.

9,9 Millionen Personen erhielten Lohnersatzleistungen

Im Jahr 2020 wurden zahlreiche staatliche Maßnahmen ergriffen, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. So wurden verstärkt Lohnersatzleistungen gezahlt, unter anderem in Form von Kurzarbeitergeld. Etwa 9,9 Millionen Personen und damit mehr als sechsmal so viele wie im Jahr 2019 erhielten insgesamt 22,0 Milliarden Euro an Lohnersatzleistungen, jede davon im Mittel rund 1.200 Euro (Median). 2019 hatten nur 1,5 Millionen Personen insgesamt 5,3 Milliarden Euro an Lohnersatzleistungen erhalten, das waren im Mittel 1.900 Euro pro Person. Zusätzlich wurden Corona-Soforthilfen an 1,2 Millionen Personen in Höhe von insgesamt 12,3 Milliarden Euro ausgezahlt, im Mittel 9.000 Euro pro Person.

Gewährter Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mehr als verdoppelt

Mit dem zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurde der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr 2020 von 1.908 Euro auf 4.008 Euro angehoben. Die Summe des Betrags verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 4,8 Milliarden Euro (+105,9 %). Des Weiteren wurde ein Kindergeldbonus von 300 Euro ausgezahlt. In der Lohn- und Einkommensteuerstatistik macht sich dies durch einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der gewährten Kinderfreibeträge bemerkbar. War im Jahr 2019 der Freibetrag für 3,8 Millionen Steuerpflichtige bei der Steuerfestsetzung günstiger als das Kindergeld, so traf dies 2020 nur noch auf 2,3 Millionen Steuerpflichtige (-37,9 %) zu.

Trotz der Pandemie zahlten mehr Steuerpflichtige einen Steuersatz von 45 %

In Deutschland wird ein progressiver Steuersatz angewendet, der Steuersatz steigt also mit zunehmendem Einkommen. Dadurch werden die Steuerpflichtigen unterschiedlich stark belastet. 2020 wurden Jahreseinkommen ab 270.501 Euro (beziehungsweise ab 541.002 Euro bei gemeinsam veranlagten Personen) mit dem Höchstsatz von 45 % besteuert. Bei rund 119.500 Steuerpflichtigen kam dieser sogenannte Reichensteuersatz zum Tragen. Das waren 0,3 % aller Steuerpflichtigen und trotz der Pandemie rund 5.000 mehr als im Jahr zuvor (+4,3 %). Auf sie entfielen 6,8 % der gesamten Einkünfte (+0,2 Prozentpunkte) und 13,6 % der Steuersumme (+0,4 Prozentpunkte).

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

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Bürokratie abbauen – Wirtschaft entlasten

Die Bundesregierung will bürokratischen Aufwand verringern und mehr unternehmerischen Freiraum schaffen. Dafür hatte das Kabinett bereits den Entwurf für ein Entlastungsgesetz verabschiedet. Jetzt sollen zusätzliche Maßnahmen weitere Entlastungen schaffen, u. a. kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege, Zentrale Datenbank für die Steuerberatung und Digitaler Arbeitsvertrag schaffen, u. a. kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege, Zentrale Datenbank für die Steuerberatung und Digitaler Arbeitsvertrag.

Bundesregierung, Mitteilung vom 19.06.2024

Die Bundesregierung will bürokratischen Aufwand verringern und mehr unternehmerischen Freiraum schaffen. Dafür hatte das Kabinett bereits den Entwurf für ein Entlastungsgesetz verabschiedet. Jetzt sollen zusätzliche Maßnahmen weitere Entlastungen schaffen.

Im März 2024 hat das Kabinett ein weiteres Gesetz zum Bürokratieabbau auf den Weg gebracht – das Bürokratieentlastungsgesetz IV. Mit dem ressortübergreifenden Gesetzgebungsvorhaben sollen administrative Abläufe in Deutschland vereinfacht und die Wirtschaft in Höhe von rund 944 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden.

Nachdem der Gesetzesentwurf bereits im Bundestag beraten wird, hat die Bundesregierung nun eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Damit will sie die Arbeit des Deutschen Bundestags unterstützen und zusätzliche Maßnahmen schaffen, um die Menschen von überflüssiger Bürokratie zu befreien.

Weitere Entlastungseffekte

  • Digitaler Arbeitsvertrag: Zentraler Punkt der Formulierungshilfe ist der sogenannte digitale Arbeitsvertrag. Künftig sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch per E-Mail über die wesentlichen Bedingungen der Arbeitsverträge informieren können. „Digitale Dienste statt analoge Altlasten“, ist die Botschaft.
  • Wirtschaft weiter entlasten: Mit der Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz soll die Wirtschaft um weitere rund 2,6 Millionen Euro pro Jahr Erfüllungsaufwand entlastet werden. So ist beispielsweise vorgesehen, dass Gewerbetreibende, die ihre Betriebsstätte in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Gewerbebehörde verlegen, nur noch der neuen Behörde Mitteilung geben müssen.
  • Hauptversammlungen werden erleichtert: Zudem sollen börsennotierte Gesellschaften bei der Vorbereitung ihrer Hauptversammlung entlastet werden. Bei vergütungsbezogenen Beschlüssen soll es künftig ausreichen, die dafür erforderlichen Unterlagen allein über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Das führt zu erheblichen Erleichterungen in der Praxis, ohne dass damit ein Informationsdefizit für die Aktionäre verbunden ist.

Entlastungsbeiträge aus dem Kabinettsentwurf

  • Kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege: Ein wesentlicher Entlastungsbeitrag, der bereits im Kabinettsentwurf beschlossen wurde ist, dass die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Damit reduzieren sich die Kosten für das sichere Verwahren, weil beispielsweise keine zusätzlichen Räume für die Lagerung der Unterlagen angemietet werden müssen. Auch Kosten, die die elektronische Speicherung verursachen, werden mit den verkürzten Fristen reduziert. Allein für diesen Punkt rechnet die Bundesregierung mit einer jährlichen Entlastung von rund 626 Millionen Euro.
  • Zentrale Datenbank für die Steuerberatung: Für Steuerberaterinnen und Steuerberater soll eine zentrale Vollmachtsdatenbank entstehen. Damit werden Arbeitgeber entlastet, weil sie ihrer Steuerberatung keine schriftlichen Vollmachten mehr für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen. Eine Generalvollmacht soll genügen. Sie soll in der Datenbank elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden können. Schätzungen zur Folge werden dadurch neun von zehn Vorgängen hinfällig.
  • Meldepflicht in Hotels entfällt: Für deutsche Staatsangehörige soll es keine Hotelmeldepflicht mehr geben. Bei jährlich 129 Millionen touristischen Übernachtungen in Deutschland verringert sich der jährliche Zeitaufwand der Bürger um knapp drei Millionen Stunden. Die Wirtschaft wird damit um rund 62 Millionen Euro jährlich entlastet.
  • Mehr digitale Rechtsgeschäfte: Schließlich sollen sogenannte Schriftformerfordernisse zu Textformerfordernissen abgesenkt werden. Anders als die Schriftform setzt die Textform keine eigenhändige Unterschrift voraus: Beispielsweise reichen auch eine E-Mail, eine SMS oder eine Messenger-Nachricht aus. Dies ermöglicht es, viele Rechtsgeschäfte künftig digital abzuwickeln. Im Alltag der Menschen wird dies für spürbare Erleichterungen sorgen. Weitere Maßnahmen sind beispielsweise die Digitalisierung der Betriebskostenabrechnung und die Möglichkeit, künftig bei der Flugabfertigung Reisepässe digital auszulesen.

Quelle: Bundesregierung

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Urlaubsanspruch bei Freistellung im Zusammenhang mit der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Hat ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der während der Geltungsdauer des vormaligen § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG a. F.) die in § 20a Abs. 1 IfSG a. F. aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllte, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, sind die Zeiten dieser unbezahlten Freistellung bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen. Dem Arbeitnehmer steht nur ein anteilig kürzerer Urlaubsanspruch zu. So das BAG (Az. 5 AZR 167/23).

BAG, Pressemitteilung vom 19.06.2024 zum Urteil 5 AZR 167/23 vom 19.06.2024

Hat ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der während der Geltungsdauer des vormaligen § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG a. F.) die in § 20a Abs. 1 IfSG a. F. aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllte, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, sind die Zeiten dieser unbezahlten Freistellung bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen. Dem Arbeitnehmer steht nur ein anteilig kürzerer Urlaubsanspruch zu.

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Seniorenwohnheim als Alltagsbegleiterin beschäftigt. Sie war im März 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft und verfügte nicht über einen Immunitätsnachweis. Medizinische Gründe, die einer Impfung entgegengestanden hätten, lagen nicht vor. Mit Schreiben vom 31. März 2022 stellte die Beklagte die Klägerin ab dem 1. April 2022 unter Verweis auf die Regelungen des IfSG a. F. frei. Die Freistellung sollte gelten, bis die Klägerin die im IfSG a. F. vorgesehenen Nachweise vorlegte, längstens bis zum 31. Dezember 2022. Ab dem 1. September 2022 unterlag die Klägerin dann einem vom zuständigen Gesundheitsamt verfügten, ebenfalls befristeten Tätigkeitsverbot.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die streitige Zeit vom 1. April bis zum 31. August 2022 keine Vergütung. Sie meinte außerdem, der Urlaubsanspruch der Klägerin sei für jeden vollen Monat der Freistellung anteilig zu kürzen. Wegen der streitgegenständlichen fünfmonatigen Freistellung sei rechnerisch von einem um 12,5 Tage geringeren Urlaubsanspruch auszugehen, aufzurunden auf 13 Tage.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin für die Zeit vom 1. April bis zum 31. August 2022 Vergütung un-ter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und für einen Teilzeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend gemacht. Außerdem hat sie die Feststellung beantragt, dass ihr für das Jahr 2022 weitere 13 Urlaubstage zustehen.

Die Vorinstanzen haben die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte beim Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts nur in geringem Umfang Erfolg. Ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall steht der Klägerin für den streitigen Zeitraum nicht zu (vgl. Pressemitteilung 16/24 zum Verfahren – 5 AZR 192/23 -).

Der Feststellungsantrag auf das Bestehen des ungekürzten Urlaubsanspruchs hatte ebenfalls im Wesentlichen keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere 12,5 Urlaubtage für das Jahr 2022. Die Freistellung wegen Nichterfüllung der Anforderungen des § 20a IfSG a. F. rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Die aufgrund dieser Freistellung nicht geleisteten Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Erholungszweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub beruht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Etwas anderes gilt nur, wenn der Umstand, dass der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, allein auf Entscheidungen des Arbeitgebers beruht. So lag es hier nicht, denn zum einen setzte die Beklagte mit der Freistellung lediglich die Regelungen des IfSG a. F. um und zum anderen hätte die Klägerin ihre Tätigkeit bei Vorlage der vom Gesetz vorgesehenen Nachweise wieder aufnehmen können. Dass sie dies nicht tat, beruhte auf ihrer freien und höchstpersönlichen Entscheidung, sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Dies unterscheidet die Freistellung wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen nach § 20a Abs. 1 IfSG a. F. von anderen Fällen einer einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber, z. B. nach einer von ihm ausgesprochenen Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist.

Der Klägerin steht jedoch noch ein halber Urlaubstag aus dem Jahr 2022 zu. Für die von der Arbeitgeberin im Rahmen der Neuberechnung des Urlaubsanspruchs zu Lasten der Arbeitnehmerin vorgenommene Aufrundung besteht keine Rechtsgrundlage.

Quelle: Bundesarbeitsgericht

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Einrichtungsbezogener Impfnachweis – unbezahlte Freistellung – Abmahnung wegen Nichtvorlage eines Impfnachweises

Betreiber von Pflegeeinrichtungen i. S. d. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG a. F.) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt. So entschied das BAG (Az. 5 AZR 192/23).

BAG, Pressemitteilung vom 19.06.2024 zum Urteil 5 AZR 192/23 vom 19.06.2024

Betreiber von Pflegeeinrichtungen i. S. d. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG a. F.) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt.

Der Beklagte betreibt ein Altenpflegeheim. Die Klägerin ist bei ihm seit 2007 als Altenpflegerin beschäftigt. Sie ließ sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen und legte dem Beklagten entgegen der gesetzlichen Vorgabe weder einen Impfnachweis noch einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden könne, vor. Der Beklagte erteilte ihr deshalb eine Abmahnung und stellte sie ab dem 16. März 2022 bis auf Widerruf ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Vom 21. bis zum 31. März 2022 war die Klägerin außerdem infolge einer Corona-Infektion arbeitsunfähig krank.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Entfernung der ihr erteilten Abmahnung aus der Personalakte sowie restliche Vergütung für März 2022 verlangt. Sie hat geltend gemacht, es habe keine arbeitsvertragliche Pflicht bestanden, dem Arbeitgeber den Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen. Der Beklagte sei zu einer unbezahlten Freistellung nicht berechtigt gewesen, weil sie als sog. Bestandsmitarbeiterin (das sind vor dem 16. März 2022 eingestellte Arbeitnehmer) bis zu einer entsprechenden Untersagung durch die zuständige Behörde auch ohne Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 hätte weiter arbeiten dürfen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen gemeint, er sei aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben berechtigt gewesen, in seiner Pflegeeinrichtung nur noch geimpftes oder genesenes Personal zu beschäftigen.

Die Vorinstanzen haben der Klägerin restliche Vergütung für März 2022 zugesprochen. Die Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hat das Arbeitsgericht abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Klage auf Vergütung abgewiesen, hinsichtlich der Abmahnung jedoch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis bestätigt.

Die Klägerin hat für die Zeit ihrer Freistellung im März 2022 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB), weil sie entgegen der Anordnung des Beklagten diesem keinen Immunitätsnachweis i. S. d. § 20a IfSG a. F. vorgelegt hat und damit außerstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB). Nach § 20a IfSG a. F., der der verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhielt (BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – BVerfGE 161, 299), war nicht nur das Gesundheitsamt berechtigt, einer Person, die den Immunitätsnachweis nicht vorgelegt hatte, zu untersagen, die jeweilige Einrichtung zu betreten und dort tätig zu werden. Der aus der Gesetzesbegründung herzuleitende Zweck der Regelung, insbesondere vulnerable Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Patienten von Krankenhäusern vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen und zugleich die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen aufrechtzuerhalten, eröffnete ebenso den Arbeitgebern als Betreibern dieser Einrichtungen die rechtliche Möglichkeit, im Wege des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO die Vorgaben des § 20a IfSG a. F. umzusetzen und die Vorlage eines Immunitätsnachweises für den begrenzten Zeitraum vom 16. März bis zum 31. Dezember 2022 zur Tätigkeitsvoraussetzung zu machen. Da die Gesundheitsämter in jener Zeit völlig überlastet waren, war anders eine sachgerechte und zeitnahe Umsetzung dieser Schutzmaßnahme, die die Interessen der besonders gefährdeten Personengruppen und die Funktionsfähigkeit der einzelnen Einrichtung berücksichtigte, nicht möglich. Dass sich in den Jahren danach Zweifel an der Effektivität dieser Maßnahme ergaben, steht der Wirksamkeit der Weisungen nicht entgegen. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Weisung. Anfang des Jahres 2022 entsprach es ganz überwiegender wissenschaftlicher und auch der vom Bundesministerium für Gesundheit und dem Robert-Koch-Institut vertretenen Auffassung, dass eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vor einer Übertragung des Virus schützt. Hiervon konnte auch der Beklagte ausgehen.

Soweit die Klägerin im Streitzeitraum auch arbeitsunfähig krank war, scheitert ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG am Grundsatz der sog. Monokausalität, denn die Erkrankung der Klägerin war wegen des zugleich fehlenden Immunitätsnachweises nicht die alleinige Ursache für den Verdienstausfall.

Erfolglos blieb dagegen die Revision des Beklagten hinsichtlich seiner Verurteilung, die der Klägerin erteilte Abmahnung aus deren Personalakte zu entfernen. Eine Abmahnung soll den Arbeitnehmer grundsätzlich auf eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten aufmerksam machen, ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auffordern und ihm mögliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung aufzeigen. In der unterlassenen Vorlage eines Immunitätsnachweises (§ 20a Abs. 2 IfSG a. F.) liegt danach keine abmahnfähige Pflichtverletzung. Das in Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnde Selbstbestimmungsrecht der im Pflegebereich Tätigen, in freier Entscheidung eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 abzulehnen, sowie deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) hatten Arbeitgeber als höchstpersönliche Entscheidung der Arbeitnehmer zu respektieren. Wegen des vom Beklagten zu achtenden besonderen Charakters dieser grundrechtlich geschützten Entscheidung der Klägerin erweist sich die Abmahnung als ungeeignetes Mittel zur Verhaltenssteuerung. Aufgrund der mit ihr verbundenen Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses ist sie – anders als der vorübergehende Verlust der Entgeltansprüche für die befristete Dauer der Freistellung – eine unangemessene Druckausübung und damit unverhältnismäßig.

Hinweis

Vgl. auch die ähnlich gelagerte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.06.2024, Urteil 5 AZR 167/23 vom 19. Juni 2024.

Quelle: Bundesarbeitsgericht

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Geldwäschepaket: Verordnung zur Geldwäschebekämpfung im EU-Amtsblatt veröffentlicht

Am 19.06.2024 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende Verordnung (EU) 2024/1624 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie gilt ab 10.07.2024 bzw. 10.07.2029 für Fußballvermittler und Profifußballvereine.

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 19.06.2024

Am 19.06.2024 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende Verordnung (EU) 2024/1624 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie gilt ab 10.07.2024 bzw. 10.07.2029 für Fußballvermittler und Profifußballvereine.

Die Verordnung zielt auf die Harmonisierung der Bestimmungen zur Geldwäschebekämpfung ab, indem

  • Maßnahmen, die Verpflichtete anzuwenden haben, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern;
  • Anforderungen für die Transparenz des wirtschaftlichen Eigentums bei juristischen Personen, Express Trusts und ähnlichen Rechtsvereinbarungen;
  • Maßnahmen zur Eindämmung des Missbrauchs anonymer Instrumente festgelegt werden.

Außerdem weitet die Verordnung den Kreis der Verpflichteten, zu denen heute u. a. bereits Steuerberater und Rechtsanwälte zählen, z. B. auf den Großteil des Kryptosektors, auf Händler von Luxusgütern sowie auf Fußballvereine und -agenten aus.

Das Berufsgeheimnis bei der Verdachtsmeldepflicht ist im Rahmen der Rechtsberatung oder der Prozessvertretung geschützt.

Verpflichtet müssen zukünftig u. a.:

  • eine unternehmensweite Risikobewertung durchführen. Die AMLA gibt bis 10.06.2026 dazu Leitlinien mit Mindestanforderungen heraus.
  • ein Mitglied des Leitungsorgans als Compliance-Manger ernennen, der sicher zu stellen hat, dass interne Strategien, Verfahren und Kontrollen mit der Risikolage im Einklang stehen und umgesetzt werden. Der Compliance-Manager erstattet dem Leitungsorgan regelmäßig Bericht über die Umsetzung der internen Strategien, Verfahren und Kontrollen.
  • einen Geldwäschebeauftragten, der vom Leitungsorgan zu ernennen ist und für die Strategien, Verfahren und Kontrollen bei der täglichen Umsetzung der Anforderungen zur Geldwäschebekämpfung zuständig ist und als Kontakt für die zuständigen Behörden fungiert, ernennen. Zudem soll er der zentralen Meldestelle verdächtige Transaktionen melden.
  • Die Compliance-Funktion ist mit angemessenen personellen, technologischen und sonstigen Ressourcen – entsprechend der Größe, Art und Risiken – auszustatten.

Mit der Verordnung werden strengere Sorgfaltspflichten und Regelungen zum wirtschaftlichen Eigentum festgelegt. Die AMLA arbeitet bis 10.07.2026 Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen u. a. die Anforderungen an die Verpflichteten und die Informationen, die für die Durchführung einer standardmäßigen, vereinfachten und einer verstärkten Sorgfaltsprüfung eingeholt werden müssen als auch zu Mindestanforderungen bei geringerem Risiko.

Um die Missbrauchsrisiken bei großen Bargeldzahlungen zu mindern, wird mit der Verordnung zudem eine unionsweite Obergrenze von 10.000 Euro eingeführt.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel

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Geldwäschepaket: 6. Geldwäsche-Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht

Am 19.06.2024 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende 6. Richtlinie (EU) 2024/1640 über die von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Mechanismen zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen der Richtlinie bis 10.07.27 in nationales Recht umsetzen.

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 19.06.2024

Am 19.06.2024 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende 6. Richtlinie (EU) 2024/1640 über die von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Mechanismen zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen der Richtlinie bis 10.07.2027 in nationales Recht umsetzen. Die Richtlinie (EU) 2015/849 wird mit Wirkung vom 10.07.2027 aufgehoben.

Ziel der 6. Geldwäsche-Richtlinie ist die Verbesserung der Organisation der nationalen Systeme der Geldwäschebekämpfung und die Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen (FIU) und der Aufsichtsbehörden.

Die 6. Geldwäsche-Richtlinie sieht u. a. Folgendes vor:

  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten in Erwägung ziehen, Verpflichteten, die Zulassungs- oder regulatorischen Anforderungen für die Erbringung von Dienstleistungen unterliegen, Schulungen anzubieten.
  • Aus Transparenzgründen und um Missbrauch von juristischen Personen vorzubeugen, sollen die Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer in einem Zentralregister außerhalb der juristischen Person registriert werden, z. B. zentrale Datenbank oder Handelsregister. Die EU-Mitgliedstaaten können beschließen, dass die Verpflichteten für die Bereitstellung bestimmter Informationen an das Zentralregister verantwortlich sind.
  • Sicherstellung der Speicherung von Angaben der wirtschaftlichen Eigentümer in Zentralregistern:
    • Da die Richtigkeit der in den Zentralregistern gespeicherten Informationen von großer Bedeutung ist, sollen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Angaben angemessen, zutreffend und aktuell sind. Dazu müssen die zuständigen Stellen die Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer innerhalb einer angemessenen Frist prüfen. Die EU-Kommission gibt vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie Empfehlungen zu den Methoden und Verfahren zur Überprüfung heraus.
    • Die Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer an die Zentralregister sollen in einem einheitlichen Format übermittelt werden. Die EU-Kommission erlässt bis 10.07.2025 Durchführungsrechtsakte mit dem Format für die Übermittlung der Angaben sowie einer von der für die Zentralregister zuständigen Stelle zu prüfenden Checkliste mit Mindestanforderungen zu diesen Angaben.
    • Die Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer sollen mind. fünf Jahre nachdem eine juristische Person/Rechtsvereinbarung aufgelöst wurde, über die zentralen Register und das vernetzte System der Zentralregister zugänglich bleiben.
    • Zentrale Meldestellen, andere zuständige Behörden, wie z. B. Steuerbehörden, und Selbstverwaltungseinrichtungen sollen sofortigen, ungefilterten, direkten und freien Zugang zu den Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer haben. Für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kunden werden Verpflichtete – ggf. gegen Zahlung einer Gebühr – Zugang zu den Zentralregistern erhalten.
    • Die Verfahren für die Anerkennung eines berechtigten Interesses am Zugang zu Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer werden harmonisiert. Die EU-Kommission wird Durchführungsrechtsakte zur Festlegung harmonisierter Vorlagen und Verfahren vorlegen.
  • Die EU-Mitgliedstaaten müssen Informationen aus zentralen Bankkontenregistern, über eine zentrale Zugangsstelle zur Verfügung stellen.
  • Es ist vorgesehen, dass die zentralen automatisierten Mechanismen über das Vernetzungssystem für Bankkontenregister miteinander vernetzt werden sollen. Die EU-Kommission wird dieses Vernetzungssystem entwickeln und betreiben. Jedoch haben nur die zentralen Meldestellen direkten Zugang dazu. Über die – ebenfalls verabschiedete – Richtlinie (EU) 2024/1654 in Bezug auf den Zugang zu zentralen Bankkontenregistern (Umsetzungsfrist in nationales Recht bis 10.07.2027) wird gewährleistet, dass die nationalen Strafverfolgungsbehörden direkten Zugang über das Vernetzungssystem auf Bankkonteninformationen in anderen Mitgliedstaaten haben.
  • Ein Hindernis für Finanzermittlungen stellen die unterschiedlichen Formate von Transaktionsaufzeichnungen der Finanz- und Kreditinstitute als auch der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen dar. Damit die Informationen von den zuständigen Behörden einfacher verarbeitet und analysiert werden können, sollen Transaktionsaufzeichnungen zukünftig in einem einheitlichen Format bereitgestellt werden.
  • Die EU-Kommission wird Durchführungsrechtsakte mit technischen Spezifikationen zur Festlegung des strukturierten elektronischen Formats und der technischen Mittel für die Bereitstellung von Transaktionsaufzeichnungen erlassen, um einheitliche Bedingungen dafür zu schaffen.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel

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Geldwäschepaket: Verordnung zur Einrichtung einer EU-Geldwäschebehörde (AMLA) im EU-Amtsblatt veröffentlicht

Am 19.06.24 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende Verordnung (EU) 2024/1620 zur Einrichtung einer EU-Behörde zur Geldwäschebekämpfung (AMLA) im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie gilt ab 01.07.2025.

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 19.06.2024

Am 19.06.2024 wurde die zum Geldwäschepaket gehörende Verordnung (EU) 2024/1620 zur Einrichtung einer EU-Behörde zur Geldwäschebekämpfung (AMLA) im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie gilt ab 01.07.2025.

Die mit Sitz in Frankfurt befindliche AMLA wird ihre Tätigkeit Mitte 2025 aufnehmen. Sie wird die direkte (z. B. Kryptodienste-Anbieter) und indirekte Aufsicht über Verpflichtete aus dem Finanzsektor, die ein hohes Risiko aufweisen, übernehmen. Im Hinblick auf den Nichtbankensektor, zu dem u. a. Steuerberater und Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltungseinrichtungen gehören, nimmt sie eine unterstützende Rolle ein. Die wie ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagene Fachaufsicht konnte sich nicht durchsetzen.

Zu ihren Aufgaben gehören u. a.:

  • Koordinierung/Durchführung von vergleichenden Analysen der Tätigkeiten der Aufseher im Nichtbankensektor, – der auch vergleichende Analysen von Behörden, die Selbstverwaltungseinrichtungen beaufsichtigen, umfasst – und Erstellung von Berichten mit Ergebnissen dieser Analysen. Sie enthalten als angemessen, verhältnismäßig und notwendig erachtete Folgemaßnahmen, die in Form von Leitlinien und Empfehlungen angenommen werden. Die AMLA veröffentlicht die Ergebnisse auf ihrer Webseite und legt der EU-Kommission eine Stellungnahme vor, wenn sie auf Grundlage der vergleichenden Analysen die Auffassung vertritt, dass eine weitere Harmonisierung des Unionsrechts für Verpflichtet im Finanz- und Nichtfinanzsektor notwendig ist. Für Selbstverwaltungseinrichtungen besteht keine Pflicht zur Teilnahme an den vergleichenden Analysen; bei Interessensbekundung können sie daran teilnehmen.
  • Untersuchung von möglichen Verstößen sowie fehlerhafte Anwendung des Unionsrechts durch Aufseher im Nichtfinanzsektor und Behörden, die Selbstverwaltungseinrichtungen beaufsichtigen. Wird ein Verstoß festgestellt, richtet die AMLA eine Empfehlung an die betreffende Aufsichtsbehörde, in der zu ergreifende Maßnahmen zur Behebung des Verstoßes aufgeführt sind. Werden keine entsprechenden Maßnahmen eingeleitet, spricht sie eine Verwarnung aus.
  • Aufforderung der Aufseher im Nichtfinanzsektor zur Einhaltung der Anforderungen an die Geldwäschebekämpfung
  • Überwachung, Analyse und Informationsaustausch über Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiken mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt
  • Koordinierung und Unterstützung (u. a. mit IT und KI-Diensten und Instrumenten für einen sicheren Informationsaustausch, u. a. Hosting von FIU.net) der zentralen Meldestellen
  • Verhängung von Geldbußen gegen ausgewählte Verpflichtete bei schweren, systematischen oder wiederholten Verstößen gegen unmittelbar geltende Anforderungen

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel

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