Weniger Neueinstellungen, Kurzarbeit steigt (November 2024)

Die Unternehmen treten bei der Personalplanung auf die Bremse und beantragen mehr Kurzarbeit. Das ifo Beschäftigungsbarometer sank im November auf 93,4 Punkte, nach 93,6 Punkten im Oktober.

ifo Institut, Pressemitteilung vom 28.11.2024

Die Unternehmen treten bei der Personalplanung auf die Bremse und beantragen mehr Kurzarbeit. Das ifo Beschäftigungsbarometer sank im November auf 93,4 Punkte, nach 93,6 Punkten im Oktober. „Die Industrie versucht, der Krise mit einer Mischung aus Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau zu begegnen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen.

Insbesondere die Industrieunternehmen planen verstärkt, ihre Belegschaft zu verkleinern. Ähnliches gilt für den Handel, obwohl dort der Indikator leicht gestiegen ist. Die Dienstleister hatten über lange Zeit mehr Personal eingestellt – nun gehen sie eher von einer konstanten Entwicklung aus. Im Baugewerbe gibt es wenig Bewegung bei der Personalplanung. „Immer mehr Unternehmen stoppen Neueinstellungen“, sagt Wohlrabe. „Zudem diskutieren sie immer häufiger über einen Abbau von Arbeitsplätzen.“

Gleichzeitig steigt die Kurzarbeit in der Industrie. Im November setzten 17,8 % der befragten Firmen in der Industrie auf Kurzarbeit, nach 14,3 % im August. Für die kommenden drei Monate erwarten dies 28 %, nach 23 % im August. Im Vergleich zu vergangenen Krisen sind diese Anteile an Kurzarbeit jedoch gering. Im Frühjahr 2000, in der Corona-Pandemie, nutzten das Instrument laut den ifo Umfragen 59 % der Industriefirmen.

Über Kurzarbeit federn nach eigenen Angaben vor allem Unternehmen in der Metallerzeugung die Krise ab (41,7 %), gefolgt von den Möbelherstellern (33,7 %), der Autobranche (27,2 %), den Herstellern elektrischer Ausrüstungen (26,9 %), sowie dem Maschinenbau (21,4 %). In der Chemie hingegen wurde von keiner nennenswerten Kurzarbeit berichtet.

Quelle: ifo Institut

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Gerichtstermin verpasst: Anwalt mit Zahnweh hätte anrufen müssen

Wer als Anwalt krankheitsbedingt einen Gerichtstermin nicht wahrnehmen kann, muss diesen wenigstens absagen, soweit dies trotz der Krankheit noch möglich ist. Möglich sei dies jedenfalls, wenn der an Zahnschmerzen leidende Anwalt noch vor dem Gerichtstermin in der Lage war, vor dem Gang zum Zahnarzt bei seinem Kollegen anzurufen und ein Taxi zu bestellen. Auf diese Entscheidung des BGH weist die BRAK hin (Az. V ZB 50/23).

BRAK, Mitteilung vom 27.11.2024 zum Beschluss V ZB 50/23 des BGH vom 23.10.2024

Wer trotz Zahnweh noch in der Lage ist, einen Kollegen und einen Taxidienst anzurufen, könne auch den Gerichtstermin absagen, so der BGH.

Wer als Anwalt oder Anwältin krankheitsbedingt einen Gerichtstermin nicht wahrnehmen kann, muss diesen wenigstens absagen, soweit dies trotz der Krankheit noch möglich ist, so der BGH. Möglich sei dies jedenfalls, wenn der an Zahnschmerzen leidende Anwalt noch vor dem Gerichtstermin in der Lage war, vor dem Gang zum Zahnarzt bei seinem Kollegen anzurufen und ein Taxi zu bestellen (Beschluss vom 23.10.2024, Az. V ZB 50/23).

In einer Nachbarschaftsangelegenheit hatten die Beklagten bereits in der Berufungsinstanz ein Versäumnisurteil kassiert, dagegen aber Einspruch eingelegt. Der Termin über die Verhandlung hierüber war auf 11.30 Uhr terminiert. Der Beklagtenvertreter hätte für den Weg zum Gericht etwa eine Stunde gebraucht. Bereits in der Nacht litt der Prozessbevollmächtigte jedoch unter Zahnschmerzen und nahm daraufhin einige Schmerztabletten, die – nach eigenem Vortrag – sein Bewusstsein trübten. Gegen 8 Uhr habe er dann beschlossen, zum Zahnarzt zu gehen und zu diesem Zweck noch ein Taxi bestellt. Zudem habe er versucht, im Hinblick auf den anstehenden Gerichtstermin einen Kollegen zu kontaktieren – vergeblich. In der Praxis sei er sofort mit weiteren Schmerzmitteln versorgt und direkt am Weisheitszahn behandelt worden. Aufgrund der Wirkung der Schmerztabletten habe er den Termin am Landgericht verdrängt. Dieser sei ihm erst wieder am frühen Nachmittag eingefallen – zu spät. Das OLG hatte die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil es der Ansicht war, der Anwalt habe den Termin schuldhaft versäumt.

BGH: Wer Kollegen anrufen kann, kann auch Gericht kontaktieren

Dies sah der BGH nun ebenfalls so, weswegen der Anwalt mit der Rechtsbeschwerde nicht durchdringen konnte. Der BGH unterstellte zwar zu dessen Gunsten, dass er wirklich krank gewesen sei. Er habe jedoch nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen und hierdurch eine Vertagung zu ermöglichen.

Bereits um 8 Uhr – rechtzeitig vor dem Termin – sei klar gewesen, dass angesichts der bevorstehenden Zahnbehandlung, der Schmerzmittel und der langen Fahrzeit eine Wahrnehmung des Termins unrealistisch gewesen sei. Deshalb hätte er auch unmittelbar das Gericht anrufen können und müssen. Dies sei ihm möglich und zumutbar gewesen. Schließlich sei er noch in der Lage gewesen, rechtzeitig vor dem anstehenden Gerichtstermin den Kollegen und das Taxiunternehmen anzurufen. Offenbar habe er zu diesem Zeitpunkt trotz der erheblichen Zahnschmerzen und der Einnahme von Schmerzmitteln noch klare Gedanken fassen können. Für den Anruf bei Gericht sei auch nicht mehr Kraft aufzubringen gewesen als für den Anruf bei seinem Kollegen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer

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Abwasserbeseitigungssatzung teilweise für unwirksam erklärt

Das OVG Niedersachsen hat eine Regelung in der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Springe über die verpflichtende Vornahme von Dichtheitsprüfungen der Grundstücksentwässerungsanlage im Fall von häuslichen Abwässern für unwirksam erklärt (Az. 9 KN 249/20).

OVG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 27.11.2024 zum Urteil 9 KN 249/20 vom 26.11.2024

Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom 26. November 2024 (Az. 9 KN 249/20) in einem Normenkontrollverfahren eine Regelung in der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Springe über die verpflichtende Vornahme von Dichtheitsprüfungen der Grundstücksentwässerungsanlage im Fall von häuslichen Abwässern für unwirksam erklärt. Eine weitere Regelung in dieser Satzung, wonach ein Übergabeschacht als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze definiert wird, hat der Senat dagegen nicht beanstandet.

Die Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Springe sieht vor, dass im Fall von häuslichen Abwässern erstmalig bei Herstellung und dann in einem Abstand von 25 Jahren unaufgefordert Dichtheitsprüfungen durchzuführen sind. Der 9. Senat hat diese Regelung für unwirksam erklärt, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei. Für den Grundstückseigentümer sei im Fall der Ableitung häuslichen Abwassers aus dieser Vorschrift nicht hinreichend zu erkennen, welche Art von Dichtheitsprüfung von ihm verlangt werde.

Die weiter angegriffene Regelung in der Abwasserbeseitigungssatzung, wonach ein Übergabeschacht als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze definiert wird, sei dagegen rechtmäßig. Dass der Übergabeschacht ein Einsteigschacht sei, entspreche der maßgeblichen DIN-Norm, welche die anerkannten Regeln der Technik wiedergebe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Satzung die unmittelbare Lage des Übergabeschachts an der Grundstücksgrenze vorgebe. Dies entspreche der maßgeblichen DIN-Norm, welche ebenfalls einen Übergabeschacht an der Grundstücksgrenze verlange.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Die Beteiligten haben – soweit sie jeweils unterlegen sind – die Möglichkeit, hiergegen Beschwerde einzulegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht

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EU-Kommission nimmt im Dezember ihre Arbeit auf: Was ist geplant?

Die neue EU-Kommission 2024-29 steht fest. Sie wurde nach den Anhörungen der einzelnen designierten Kommissare in ihrer Gesamtheit am 27.11.2024 vom EU-Parlament bestätigt. Die neue EU-Kommission wird im Dezember 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Ein Überblick über wichtige Aktivitäten für die neue Legislatur.

DATEV Strategische Umfeldbeobachtung, Mitteilung vom 27.11.2024

Die neue EU-Kommission 2024-29 steht fest. Sie wurde nach den Anhörungen der einzelnen designierten Kommissare in ihrer Gesamtheit am 27.11.2024 vom EU-Parlament bestätigt. Während ihrer Rede vor dem EU-Parlament, kündigte Kommissionspräsidentin von der Leyen an, dass die erste größere Initiative der neuen Kommission ein „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit” sein wird. Dieser wird den Rahmen für die Arbeit während des gesamten Mandats bilden und basiert auf den drei Hauptsäulen des Draghi-Berichts (Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit). Die neue EU-Kommission wird im Dezember 2024 ihre Arbeit aufnehmen.

Während der Bestätigungsanhörungen hatten die designierten EU-Kommissionsmitglieder ihre politische Agenda und Prioritäten präsentiert. Valdis Dombrovskis (Lettland) soll als Kommissar für „Umsetzung und Vereinfachung“ das regulatorische Umfeld der EU effizienter gestalten. Wopke Hoekstra (Niederlande) übernimmt in seiner zweiten Amtszeit als EU-Klimakommissar zusätzlich den Bereich Steuern. Maria Albuquerque (Portugal) konzentriert sich als Kommissarin auf Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion. Stéphane Séjourné (Frankreich) wird den Bereich Wohlstand und Industriepolitik leiten. Henna Virkkunen (Finnland) wird als Exekutiv-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie eine wichtige Rolle in der Digitalpolitik spielen. Michael McGrath (Irland) übernimmt als Justizkommissar Aufgaben in der digitalen und rechtlichen Regulierung der EU. Zentrale Botschaft: Die kommende Legislaturperiode soll durch Vereinfachung die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Der Abbau bürokratischer Hürden und die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds stehen dabei im Mittelpunkt.

Im Vergleich zu den öffentlichen Mandatsschreiben (Mission Letters) der Kommissionspräsidentin von der Leyen an die designierten Kommissare haben die Anhörungen keine Überraschungen beinhaltet. Für die neue Legislatur werden aus Sicht des Berufsstandes v. a. folgende Aktivitäten der EU-Kommission von Bedeutung sein:

Bürokratieabbau und Vereinfachung

Bürokratiehürden sollen um 25 % und für KMUs um 35 % gesenkt werden, und das unter Wahrung hoher Standards (Vereinfachung ≠ Deregulierung).

  • Alle Vereinfachungsmaßnahmen geschehen sektoral. Bereits in den ersten 100 Tagen des Mandats soll das Arbeitsprogramm Vereinfachungsvorschläge enthalten.
  • Neue Maßnahmen zur Vereinfachung umfassen sektorale Stresstests, neue Umsetzungsdialoge, „Reality Checks“, KMU- und Wettbewerbsfähigkeitstests sowie eine neue Kategorie „kleine Mid-Caps“-Unternehmen zur besseren Handhabung von Schwellenwerten.
  • Weitere Ansatzpunkte sieht der zuständige Kommissar Dombrovskis bei der fragmentierten Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), den Berichtsanforderungen des EU-Lieferkettengesetzes (CSDDD) sowie der potenziellen Nutzung von Proxy-Daten für vereinfachte freiwillige Berichtsstandards für KMUs. Ziel sei es zudem, formularbasierte Berichterstattung durch standardisierte, datengestützte Berichterstattung zu ersetzen und den Einsatz automatisierter, interoperabler Instrumente zu ermöglichen.

Steuerpolitik

Auch im Bereich Steuern steht die Überprüfung der gesamten EU-Regulierung bis 2026 im Fokus.

  • Die FASTER-Richtlinie zur schnelleren und sicheren Entlastung von Quellensteuern, die BEFIT-Initiative für die Unternehmensbesteuerung in Europa und der HOT-Vorschlag über ein hauptsitzbasiertes Steuersystem für KMU sowie – zur Bekämpfung von Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung – die UNSHELL-Richtlinie sollen verabschiedet werden. Von einer Vorlage, der schon in der letzten Legislatur kontrovers diskutieren Überlegungen, einer SAFE-Richtlinie zur Bekämpfung der Vermittler aggressiver Steuerplanung und Steuerhinterziehung ist – begrüßenswerterweise – nicht auszugehen.
  • Es wird eine Ökologisierung von Steuermechanismen befürwortet. Auch die Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie ist geplant.
  • Die OECD-Steuerreform und die globale Mindeststeuer sollen umgesetzt werden.

Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Binnenmarkt

Unter dem Konzept der „Spar- und Investitionsunion“ steht neben der Bankenunion und dem regulatorischen Rahmen für nachhaltige Finanzierungen die Stärkung der Kapitalmarktunion im Fokus.

  • Die Ziele sind private Investitionen für den grünen und digitalen Wandel zu mobilisieren und Investitionshindernisse abzubauen. KMUs sollen besseren Zugang zu Kapitalmärkten bekommen. Eine Harmonisierung der Finanzmarktregeln ist geplant.
  • Die Durchsetzung der Taxonomie-Verordnung und der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) ist vorgesehen.

Die Vereinfachungsmaßnahmen, die als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der EU verstanden werden, erstrecken sich auch auf den Bereich des Binnenmarktes.

  • Eine neue Binnenmarktstrategie soll bis Juni 2025 entwickelt werden. Ebenfalls ist die Vereinfachung der Qualifikationsanerkennung reglementierter Berufsgruppen durch Digitalisierung und Automatisierung der Verfahren vorgesehen.
  • Ein einheitlicher Unternehmensrechtsstatus (sog. 28. Regime) soll grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit erleichtern und den Abbau regulatorischer Hürden für Start-ups und KMU erlauben.
  • Für KMUs sind vor allem die Umsetzung des KMU-Entlastungspakets und die Einführung eines KMU-Passes zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands relevant.

Datenschutz, Verbraucherschutz und Digitalisierung

  • Der Fokus liegt auf der kohärenten Durch- bzw. Umsetzung folgender Rechtsakte: NIS2-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit und das EU-Gesetz über Cyberresilienz (CRA), das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und das Gesetz über den digitalen Markt (DMA), DSGVO sowie die Produktsicherheitsverordnung.
  • Das Gesetz für digitale Fairness soll weiterverfolgt werden.
  • Es ist ein EU Cloud- und KI-Development Gesetz angekündigt.
    • Ehrgeizige Zielsetzungen: Es soll ein dynamisches Ökosystem von KI-Trainingsmodellen gefördert und Anreize für Investitionen in Computerinfrastruktur und Datenspeicherung in Europa geschaffen werden, die allen Start-ups, KMU und anderen industriellen Akteuren zur Verfügung stehen sollten.
    • Energieeffiziente Rechenarchitekturen und Technologien für die Cloud und Rechenzentren.
    • Einsatz von kollaborative KI-Trainingsmodelle fördern.
    • Investitionen in innovative Einrichtungen: Umfangreiche Investitionen in neuartige Cloud- und KI-Einrichtungen, wie z. B. die Telco-Edge-Cloud und nachhaltige Cloud-Computing-Formen, sollen Vorrang haben.
  • Die Schaffung einer „Europäischen Datenunion“, die den grenzüberschreitenden Datenaustausch erleichtert und den rechtlichen Rahmen für Cloud-Dienste harmonisiert, wurde angekündigt.

Quelle: DATEV eG Strategische Umfeldbeobachtung

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Online-Zahlung nach Betrugsmasche: Klage gegen Bank bleibt ohne Erfolg

Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das LG Frankenthal entschieden (Az. 7 O 154/24).

LG Frankenthal, Pressemitteilung vom 27.11.2024 zum Urteil 7 O 154/24 vom 24.10.2024 (rkr)

Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal in einem aktuellen Urteil entschieden. Die Richter haben die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen.

Das Ehepaar aus Neustadt a. d. Weinstr. erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken, sie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.

Die 7. Zivilkammer gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden.

Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Frankenthal (Pfalz)

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Denkmalschutz steht Solaranlagen regelmäßig nicht entgegen

Die Eigentümerin eines Wohnhauses in der denkmalgeschützten Düsseldorfer „Golzheimer Siedlung“ hat ebenso wie die Eigentümerin eines Baudenkmals in Siegen einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das OVG Nordrhein-Westfalen in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden (Az. 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23).

OVG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 27.11.2024 zu den Urteilen 10 A 2281/23 und 10 A 1477/23 vom 27.11.2024

Die Eigentümerin eines Wohnhauses in der denkmalgeschützten Düsseldorfer „Golzheimer Siedlung“ hat ebenso wie die Eigentümerin eines Baudenkmals in Siegen einen Anspruch auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis für die Installation von Solaranlagen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute in zwei Grundsatzurteilen zum nordrhein-westfälischen Denkmalrecht entschieden und darauf verwiesen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden regelmäßig das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien die Belange des Denkmalschutzes überwiegt.

Die Eigentümerin eines Einfamilienhauses in der „Golzheimer Siedlung“ in Düsseldorf, für die eine Denkmalbereichssatzung gilt, möchte auf einer aus dem Straßenraum teilweise ein­sehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Die Stadt Düssel­dorf lehnte es ab, die dafür nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erforderliche Erlaub­nis zu erteilen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf verpflichtete auf die Klage der Eigentümerin die Stadt, die Genehmigung zu erteilen. Demgegenüber bestätigte das Verwaltungsgericht Arnsberg in dem zweiten Fall die Entscheidung der Stadt Siegen, die der Klägerin eine denkmalrechtliche Erlaubnis für eine Solaranlage auf der weithin sichtbaren Dachfläche versagt hatte. Hierbei geht es um ein Wohngebäude, das als ehemalige Schule als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist. In beiden Fällen waren Solarmodule in einer denkmalschonenden Ausgestaltung gewählt worden. Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts können nun beide Denkmaleigentümer die denkmalrechtliche Erlaubnis beanspruchen.

In der mündlichen Urteilsbegründung der Urteile führte die Vorsitzende des 10. Senats aus: Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiegt in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes. Nach einer im Juli 2022 in Kraft getretenen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Diese Vorgabe, für die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zukommt, beeinflusst auch das nordrhein-westfälische Denkmalschutzrecht. In die ‑ weiterhin erforderliche ‑ Abwägung zwischen den denkmalschutzrechtlichen Belangen und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien sind letztere als regelmäßig vorrangiger Belang einzustellen. Nur wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen, darf die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ausnahmsweise versagt werden. Bei der Prüfung, ob solche besonderen Umstände vorliegen, kommt es auf die Gründe an, aus denen die denkmalrechtliche Unterschutzstellung erfolgt ist.

In dem Düsseldorfer Fall wird durch die beantragte Solaranlage auf der straßenabgewandten Dachfläche nicht in einem Maß in das denkmalwerte einheitliche äußere Erscheinungsbild der „Golzheimer Siedlung“ eingegriffen, dass ausnahmsweise die Erlaubnis zu versagen wäre. Dass die Solaranlage aus dem öffentlichen Straßenraum sichtbar ist, reicht dafür grundsätzlich nicht aus. Hier sind die in die bestehende Dachstruktur eingefügten und in der Farbe angepassten Solarpaneele zudem nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Die betroffene Dachfläche liegt auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtigt die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.

Bei der ehemaligen Schule in Siegen werden die denkmalwertbegründenden Eigenschaften des Gebäudes durch die Solaranlage schon nicht beeinträchtigt. Für die Eintragung als Baudenkmal hat zwar der vorhandene Dachreiter, nicht aber die Dachfläche und ihre Gestaltung eine Rolle gespielt. In das geschützte Erscheinungsbild des Baukörpers als Kapellenschule wird durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Ein Ausnahmefall, in dem der Denkmalschutz überwiegt, wäre bei dem konkreten Vorhaben selbst dann nicht gegeben, wenn die Schieferdachfläche als auch denkmalwertbegründend angesehen würde.

Das Oberverwaltungsgericht hat in beiden Verfahren die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

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Bundeskabinett beschließt den Entwurf eines Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes

Ziel des am 27.11.2024 beschlossenen Gesetzentwurfs für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II) ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandortes Deutschland zu stärken und die Finanzierungsoptionen für junge, dynamische Unternehmen weiter zu verbessern.

BMF, Pressemitteilung vom 27.11.2024

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG II) beschlossen.

Ziel des Gesetzentwurfs für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandortes Deutschland zu stärken und die Finanzierungsoptionen für junge, dynamische Unternehmen weiter zu verbessern.

Dazu werden in Umsetzung der Wachstumsinitiative der Bundesregierung unter anderem Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen von Investments in Venture Capital auf den Weg gebracht. Dies soll unter anderem durch die Anpassungen bei der Besteuerung von Investitionen in gewerbliche Personengesellschaften durch Fonds, die unter das Investmentsteuergesetz fallen, sowie durch Anpassungen bei der Besteuerung von Gewinnen aus Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, wenn diese reinvestiert werden, geschehen.

„Dynamische, effiziente und harmonisierte Kapitalmärkte sind von entscheidender Bedeutung für Innovation, private Investitionen und Wachstum. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz II zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Finanzstandortes Deutschland nachhaltig zu stärken. Finanzierungsoptionen und steuerliche Rahmenbedingungen sind für Unternehmerinnen und Unternehmer die entscheidenden Kriterien in der Abwägung, sich in Deutschland niederzulassen. Hier setzt das Gesetz an. Insbesondere für junge, dynamische Unternehmen sowie Unternehmen in der Wachstumsphase nach den ersten Finanzierungsrunden ist der Zugang zu Eigenkapital oftmals schwierig. Um ihnen die Finanzierung zu erleichtern wollen wir die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen insbesondere in Venture Capital verbessern. Zudem sollen Kapitalmittel zukünftig in stärkerem Umfang für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien eingesetzt werden können. Damit tragen wir dem enormen Bedarf an Mitteln für diese Investitionen Rechnung.“

Bundesfinanzminister Jörg Kukies

Die Neuregelungen im Investmentsteuergesetz und im Kapitalanlagegesetzbuch schaffen einen rechtssicheren Rahmen, wodurch Hemmnisse für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien beseitigt werden.

Der Gesetzentwurf enthält zudem Maßnahmen zur Entbürokratisierung im Finanzmarktbereich, unter anderem die Streichung einer Vielzahl an Prüf-, Melde- und Anzeigepflichten, sowie die Umsetzung einer Reihe von kapitalmarktrechtlichen EU-Rechtsakten wie dem EU-Listing Act und der Verordnung über Echtzeitzahlungen.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Reform des Vergaberechts vom Bundeskabinett beschlossen

Das Bundeskabinett hat am 27.11.2024 den Entwurf zu einem Gesetz zur Transformation des Vergaberechts beschlossen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht u. a. vor, dass Nachweispflichten für Unternehmen deutlich gesenkt, bürokratische Hürden abgebaut, Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert und Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden.

BMWK, Pressemitteilung vom 27.11.2024

Das Bundeskabinett hat heute den vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Entwurf zu einem Gesetz zur Transformation des Vergaberechts beschlossen.

Der Gesetzentwurf wurde in einem intensiven Prozess mit allen Stakeholdern abgestimmt und ist das Ergebnis intensiver Aushandlungen. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen basieren maßgeblich auf den Vorschlägen und über 450 Stellungnahmen aller relevanten Fachkreise im Rahmen einer öffentlichen Konsultation im Jahr 2023. Dabei wurde insbesondere Wert auf die Vereinfachung der Vergabeverfahren und Abbau überschüssiger Bürokratie sowie auf einfach umsetzbare, praxisnahe Regelungen für eine nachhaltigere Beschaffung gelegt.

Dies ist der erste und wichtigste Baustein des Vergabetransformationspakets. Ziel ist eine weitreichende Entlastung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung. Einfache Vergabeverfahren helfen dabei, öffentliche Investitionen und die Bedarfsdeckung staatlicher Aufgaben schnell umzusetzen – gerade mit Blick auf dringend notwendige Infrastruktur- und Transformationsprojekte. Auch bei der Verteidigung und Sicherheit und für die Bundeswehr stehen dringliche Beschaffungen an, für die besondere Erleichterungen vorgesehen sind.

Auch sollen Innovationen in der öffentlichen Beschaffung gestärkt werden. Gerade die Chancen von jungen, kleinen und mittleren Unternehmen sollen verbessert werden; sie sollen mit dem Entwurf zukünftig mehr Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen finden. Soziale und umweltbezogene Kriterien sollen bei den Vergabeverfahren im Regelfall mitgedacht und berücksichtigt werden. Die Anforderungen in der praktischen Anwendung für die Auftraggeber und die Unternehmen sollen dabei einfach und flexibel erfüllbar sein. Mit diesem Konzept soll die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb um öffentliche Aufträge gestärkt werden und die Entwicklung grüner Leitmärkte, etwa bei Stahl und Zement gefördert werden.

Die öffentliche Beschaffung hat eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Aufträge mit einem Gesamtvolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich werden jährlich von öffentlichen Stellen vergeben.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass Nachweispflichten für Unternehmen deutlich gesenkt, bürokratische Hürden abgebaut, Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert und Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden. Dadurch werden öffentliche Aufträge wieder attraktiver für die deutsche Wirtschaft und der Wettbewerb gestärkt.

Bei dem neuen Regelfall einer nachhaltigen Beschaffung können die Auftraggeber über die bestmögliche Umsetzung selbst entscheiden. Denn sie haben selbst das größte Praxiswissen, wie Nachhaltigkeit am besten in das Vergabeverfahren integriert wird. Die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit sind insgesamt einfach umsetzbar und an der Realität der Vergabepraxis orientiert.

Neben dem heute beschlossenen Vergaberechtstransformationsgesetz zur Reform der Regelungen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist eine Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung vorgesehen.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

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„Freiwillig Tempo 30“-Schilder: Eilverfahren auch in der zweiten Instanz erfolglos

Nachdem Anwohner der Bodenseehalbinsel Höri (Landkreis Konstanz) innerorts auf ihren Grundstücken Schilder mit der Aufschrift „Freiwillig 30“ aufgestellt hatten, erließ das Landratsamt Konstanz gegenüber den Anwohnern Bescheide, mit denen unter Androhung von Zwangsgeld die sofortige Entfernung der Schilder verlangt wurde. Die hiergegen von den Anwohnern gestellten Eilanträge hat das VG Freiburg abgelehnt. Diese Entscheidungen wurden vom VGH Baden-Württemberg bestätigt (Az. 13 S 1304/24 u. a.).

VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 27.11.2024 zu den Beschlüssen 13 S 1304/24, 13 S 1306/24, 13 S 1308/24 vom 26.11.2024

Nachdem Anwohner der Bodenseehalbinsel Höri (Landkreis Konstanz) innerorts auf ihren Grundstücken Schilder mit der Aufschrift „Freiwillig 30“ aufgestellt hatten, erließ das Landratsamt Konstanz gegenüber den Anwohnern Bescheide, mit denen unter Androhung von Zwangsgeld die sofortige Entfernung der Schilder verlangt wurde. Die hiergegen von den Anwohnern gestellten Eilanträge hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit drei Beschlüssen vom 08.08.2024 abgelehnt (zu den Einzelheiten vgl. Pressemitteilung des VG Freiburg vom 13.08.2024). Die von den Anwohnern eingelegten Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit drei heute bekannt gegebenen Beschlüssen vom 26.11.2024 zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner im Eilverfahren ergangenen Beschlüsse vom 26.11.2024 hat der VGH unter anderem ausgeführt:

Die privaten Schilder der Anwohner verstießen gegen § 33 Abs. 2 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese Vorschrift verbiete private Schilder, die mit amtlichen Verkehrszeichen verwechselt werden könnten. Bei den privaten Schildern der Anwohner sei bei einer flüchtigen Gesamtbetrachtung nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich nicht um amtliche Verkehrszeichen handele. Die an amtliche Verkehrszeichen angelehnten Elemente fielen deutlich in den Blick, während den Unterscheidungsmerkmalen kein wesentliches Gewicht zukomme. Ähnlichkeit bestehe insbesondere zu den amtlichen Vorschriftszeichen zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit 30 km/h und zum Beginn einer Tempo 30-Zone. Die Ergänzung „Freiwillig“ werde von den Verkehrsteilnehmern, deren Erwartungs- und Verständnishorizont durch die ihnen geläufigen Verkehrszeichen geprägt sei, möglicherweise nicht wahrgenommen.

Die Unzulässigkeit der „Freiwillig Tempo 30“-Schilder folge allerdings nicht allein daraus, dass solche Schilder von Fahrassistenzsystemen erkannt und mit amtlichen Schildern verwechselt würden. Es sei aber zu berücksichtigen, dass sich bei Verwendung von solchen Systemen die Verwechslungsgefahr für die Fahrer erhöhe.

Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung überwöge selbst dann das Interesse an der sofortigen Entfernung der Schilder, wenn es sich als offen erwiesen hätte, ob die Beseitigungsanordnungen des Landratsamts Konstanz zu Recht ergangen seien. Denn die mit der sofortigen Entfernung der Schilder für die Anwohner einhergehenden Nachteile wögen nicht so schwer, als dass sie von ihnen nicht bis zum Abschluss der Klageverfahren hingenommen werden müssten. Die Anwohner könnten ihre Bitte um ein freiwilliges langsameres Fahren auch durch anders gestaltete Schilder zum Ausdruck bringen.

Die Beschlüsse vom 26.11.2024 sind unanfechtbar (13 S 1304/24, 13 S 1306/24, 13 S 1308/24).

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

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BGH erklärt Online-Eheschließung für unwirksam

Der BGH hat über die Wirksamkeit einer von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Standesbeamten in Utah/USA geschlossenen Ehe entschieden (Az. XII ZB 244/22).

BGH, Pressemitteilung vom 27.11.2024 zum Beschluss XII ZB 244/22 vom 25.09.2024

Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Wirksamkeit einer von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Standesbeamten in Utah/USA geschlossenen Ehe entschieden.

Sachverhalt

Die Antragsteller des Personenstandsverfahrens sind nigerianische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Sie schlossen im Mai 2021 per Videotelefonie die Ehe vor einer Behörde in Utah/USA. Während der Eheschließung befanden sich beide Antragsteller in Deutschland und gaben ihre Erklärungen im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab. Sie erhielten anschließend eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Nachdem die Eheschließung von einer deutschen Meldebehörde nicht als wirksam angesehen wurde, haben die Antragsteller die beabsichtigte (erneute) Eheschließung beim zuständigen Standesamt angemeldet. Das Standesamt hat eine Zweifelsvorlage beim Amtsgericht eingereicht mit der Frage, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung in Deutschland entgegensteht.

Bisheriger Verfahrensverlauf

Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller die Ehe in Utah geschlossen haben. Denn diese Eheschließung sei unwirksam. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die Standesamtsaufsicht mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde gewendet.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt.

Gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB kann eine (verschiedengeschlechtliche) Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Danach müssen die Erklärungen der Eheschließenden vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben werden. Findet die Eheschließung dagegen im Ausland statt, kann das gegebenenfalls weniger strenge Recht des Eheschließungsorts angewendet werden.

Für die Eheschließung steht nach deutschem Rechtsverständnis der Konsens der Eheschließenden im Mittelpunkt. Daher ist auf den Ort der Abgabe der Eheschließungserklärungen abzustellen. Es genügt, dass eine der Erklärungen in Deutschland abgegeben wurde, weil damit ein wesentlicher Teil der Eheschließung im Inland verwirklicht wurde. Der hiervon abweichende Ort des Zugangs der Eheschließungserklärungen oder der ausländische Sitz des Trauungsorgans, an das die Erklärungen übermittelt werden, führen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Missachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Inlandsform hat zur Folge, dass die Online-Eheschließung vor der ausländischen Behörde im Inland unwirksam ist.

Da hier die Eheschließungserklärungen in Deutschland abgegeben wurden, hätte die nach inländischem Recht vorgeschriebene Form eingehalten werden müssen. Das war nicht der Fall, sodass die unwirksame Eheschließung der jetzt angemeldeten rechtlich nicht entgegensteht.

Quelle: Bundesgerichtshof

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