Vorerst keine „nextbike“-Mieträder auf öffentlichem Straßenland

Mietfahrräder des Verleihunternehmens „nextbike“ dürfen vorerst nicht mehr auf öffentlichem Straßenland des Landes Berlin zur Vermietung angeboten werden. Das hat das VG Berlin in einem Eilverfahren entschieden (Az. VG 1 L 631/25).

VG Berlin, Pressemitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss VG 1 L 631/25 vom 17.10.2025

Mietfahrräder des Verleihunternehmens „nextbike“ dürfen vorerst nicht mehr auf öffentlichem Straßenland des Landes Berlin zur Vermietung angeboten werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Die Antragstellerin bietet in Berlin ein öffentliches Fahrradverleihsystem u. a. im stationsungebundenen sog. Free-Floating-Modell an; dabei werden Fahrräder ohne feste Stationen im öffentlichen Raum bereitgestellt, die von Kunden über eine App gebucht und genutzt sowie innerhalb einer sog. Flex-Zone wieder zurückgegeben werden können. Bis zum 30. Juni 2025 betrieb die Antragstellerin das System auf der Grundlage eines mit dem Land Berlin geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages und erhielt jeweils befristete Sondernutzungserlaubnisse. Über eine Fortsetzung dieses Modells konnten sich die Beteiligten nicht einigen. Die Antragstellerin betrieb ihr Fahrradverleihgeschäft gleichwohl weiter, sah aber ausdrücklich davon ab, eine Sondernutzungserlaubnis zu beantragen. Daraufhin forderte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt die Antragstellerin im Juli 2025 sofort vollziehbar auf, ihre im öffentlichen Straßenraum des Landes Berlin angebotenen insgesamt 6.500 Mietfahrräder unverzüglich zu entfernen.

Die 1. Kammer hat den hiergegen Eilantrag zurückgewiesen. Die Beseitigungsverfügung begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Anders als die Antragstellerin argumentiere, stelle ihr Verleihsystem eine straßenrechtliche Sondernutzung dar. Denn die Aufstellung der Mietfahrräder gehe über den straßenrechtlichen Gemeingebrauch hinaus. Die Antragstellerin nutze die Straße auf diese Weise vorwiegend zur Anbahnung eines Vertragsschlusses und damit zu gewerblichen Zwecken. Zwar zähle das Parken betriebsbereiter Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen grundsätzlich zum Gemeingebrauch. Hier seien die Mietfahrräder allerdings schon nicht jederzeit betriebsbereit, weil diese erst über einen QR-Code freigeschaltet werden müssten. Im Übrigen nehme die Antragstellerin mit der Aufstellung einer sehr großen Anzahl von Mietfahrrädern die öffentlichen Straßen des Landes besonders intensiv in Anspruch. Der Gemeingebrauch anderer Verkehrsteilnehmer werde zusätzlich dadurch erschwert, dass die Fahrräder häufig verkehrsbehindernd auf Gehwegen stünden oder lägen. Während die Nutzer eigener Fahrräder diese weit überwiegend zur Sicherung vor Diebstahl etwa an Fahrrad-bügeln oder Verkehrszeichen und damit am Gehwegrand anschlössen, würden Mietfahrräder mit eingebauten Standschlössern regelmäßig platznehmend und ungeordnet auf Gehwegen abgestellt. Die Entscheidung leide nicht an Ermessensfehlern. Sie diene dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs und berücksichtige die Berufsfreiheit der Antragstellerin hinreichend. Es sei der Antragstellerin auch zuzumuten, ihre Mietfahrräder innerhalb der von der Behörde festgelegten Räumungsfrist von zwei Wochen selbst zu entfernen.

Gegen den Beschluss ist Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt worden.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

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DStV-Präsident Lüth appelliert an Gesetzgeber: „Praxistauglichkeit statt Tempo um jeden Preis“

DStV-Präsident Lüth eröffnete am 20.10.2025 den 48. Deutschen Steuerberatertag in Den Haag. In seiner Rede forderte er die Sicherung der Unabhängigkeit des Berufsstands, praxistaugliche Gesetze und spürbaren Bürokratieabbau.

DStV, Mitteilung vom 20.10.2025

DStV-Präsident StB Torsten Lüth eröffnete am 20.10.2025 den 48. Deutschen Steuerberatertag in Den Haag. In seiner Rede forderte er die Sicherung der Unabhängigkeit des Berufsstands, praxistaugliche Gesetze und spürbaren Bürokratieabbau.

Unabhängigkeit muss Grundpfeiler bleiben

Die Unabhängigkeit des Berufsstands ist nicht verhandelbar. Das machte DStV-Präsident StB Torsten Lüth in Den Haag deutlich und bezog klare Position gegen die von Private-Equity-Befürwortern angestrebte Lockerung des Fremdbesitzverbots. „Unsere Verantwortung gilt dem Mandanten. Die für ihn beste steuerliche Lösung darf nicht von kurzfristigen Renditeerwartungen eines Investors diktiert werden“, so Lüth unmissverständlich. In einem sich rasant verändernden Umfeld wandele sich auch der Berufsstand spürbar. Doch diese Transformation – forciert durch Digitalisierung, Automatisierung, Fachkräftegewinnung und veränderte Mandantenbedürfnisse – sei auch ohne berufsfremde Investoren als Gesellschafter zu bewältigen. „Lassen wir nicht zu, dass in den sozialen Medien der Eindruck entsteht, wir wollten alle Private Equity. Wir stehen für Transparenz, Unabhängigkeit – und einen starken Berufsstand. Deshalb: Mischen Sie sich ein – zeigen Sie Haltung!“, appellierte Lüth.

Lüth fordert Modernisierung der Steuerberaterprüfung

Auch mit Blick auf die Steuerberaterprüfung forderte der Verbandspräsident die dringend nötige Modernisierung ein und stellte klar: „Das Prüfungsverfahren gehört auf den Prüfstand. Die Qualität steht nicht zur Disposition.“ Seine Lösungsvorschläge reichen von Modul- statt Blockprüfungen über mehr zeitliche Flexibilität für Nachwuchskräfte bis hin zu einer Liberalisierung beim sog. Fakultätsvorbehalt: „Hier wäre,“ so Lüth „ein Wegfall der Restriktionen ebenso sinnvoll wie bei den zulässigen Wiederholungsversuchen.“

Kurswechsel nötig: Lüth kritisiert Express-Gesetzgebung

Gänzlich unzufrieden zeigte sich der DStV-Präsident mit den aktuellen Rahmenbedingungen im Zuge von Gesetzgebungsverfahren. Seit nunmehr 50 Jahren mache sich der DStV für praktikable Gesetze stark, doch politische Prozesse erschwerten die Arbeit zunehmend. So liefen Gesetzgebungsverfahren mittlerweile mit derart unrealistisch kurzen Fristen, dass eine seriöse Verbändebeteiligung eigentlich unmöglich sei. Die unübersehbaren Folgen derartiger Express-Gesetze: mangelnde Qualität, Rechts- und Planungsunsicherheit und immer mehr Bürokratie. Lüths Appell an die Politik lautet daher: „Wir brauchen faire Fristen – sonst zahlen Qualität und Praxis den Preis!“

Bürokratieaufwuchs endlich Einhalt gebieten

Im gleichen Atemzug merkte der Verbandspräsident an, dass auch die Versprechen der Bundesregierung, dem Bürokratieaufwuchs Einhalt zu gebieten, bislang kaum eingelöst worden seien, während Unternehmen unter wachsender Regulierung litten. Ein großer Bürokratietreiber sei zweifellos Brüssel; doch auch im nationalen Recht seien effektive Maßnahmen, wie ein rasches Voranbringen des Once-Only-Prinzips, einer Rentenabzugsteuer und mehr Pauschalierungen, möglich.

Starkes Europa durch mehr Demokratie

Auch auf europäischer Ebene nimmt der DStV seine Verantwortung aktiv wahr: als Mitglied der Dachverbände ETAF und EFAA arbeite er daran, Gesetzgebung frühzeitig mitzugestalten – im Interesse eines starken Berufsstands und eines funktionierenden Binnenmarkts. Europa sei für Lüth keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. In diesem Sinne gelte: Kooperation ja – aber ohne Preisgabe berufsständischer Grundwerte.

Zu einem Höhepunkt der Veranstaltung zählte die Keynote von Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister a.D. Mit Blick auf die geopolitischen Spannungen mahnte er zu Zusammenhalt und europäischer Verantwortung. Sein klares Statement: „Die Demokratie ist kein Perpetuum mobile. Wir müssen um sie kämpfen!“

Nächster Halt Bonn: Steuerberatertag 2026 – jetzt vormerken!

Abgerundet wird die Fachtagung wie gewohnt von einer vielseitigen Fachausstellung und einem hochwertigen Rahmenprogramm. Und nicht zu vergessen: Fortsetzung folgt! Vom 04. bis 06.10.2026 lädt der 49. Deutsche Steuerberatertag nach Bonn ein.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de

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Entwicklungszusammenarbeit: Engagement deutscher Unternehmen in den Blick nehmen

Deutschland verzichtet bisher weitgehend darauf, die finanziellen und personellen Ressourcen der Entwicklungszusammenarbeit systematisch auch für die Interessen der eigenen Wirtschaft einzusetzen. Aus Sicht der DIHK sollte jedoch genau das passieren, um beispielsweise bei der Modernisierung der Landwirtschaft oder des Gesundheitswesens in den Zielregionen der Entwicklungszusammenarbeit deutsche Technologie zum Einsatz zu bringen.

DIHK, Mitteilung vom 20.10.2025

Vor dem Hintergrund vieler geopolitischer Herausforderungen wird die Diversifizierung von Beschaffungs- und Absatzmärkten für deutsche Unternehmen immer wichtiger. Dabei rücken vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer verstärkt in den Fokus wirtschaftlicher Kooperationen. Andere – auch europäische – Länder setzen mit strategischer, teils aggressiver Außenwirtschaftspolitik sowie einer engen Verzahnung mit der Entwicklungszusammenarbeit gezielt nationale wirtschaftliche Interessen durch – mit klarer Priorität auf Handel und Investition. In den EU-Ländern fließen durchschnittlich über 30 Prozent der Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit den eigenen Unternehmen zu. In Deutschland sind es nach Angaben der OECD nur 11 Prozent.

Deutschland verzichtet also bisher weitgehend darauf, die finanziellen und personellen Ressourcen der Entwicklungszusammenarbeit systematisch auch für die Interessen der eigenen Wirtschaft einzusetzen.

Aus Sicht der DIHK sollte jedoch genau das passieren, um beispielsweise bei der Modernisierung der Landwirtschaft oder des Gesundheitswesens in den Zielregionen der Entwicklungszusammenarbeit deutsche Technologie zum Einsatz zu bringen.

Mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Partnerländern

Neben den bestehenden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) finanzierten Kooperationen im Bereich „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ haben vor allem bilateral vereinbarte Projekte das Potenzial, zur Ausweitung von Handel und Investition beizutragen.

Verantwortliche der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in den Partnerländern prüfen ihre Programme bisher im Hinblick auf die sog. ESG- (Environmental, Social and Governance) Kriterien. Diesem Vorgehen entsprechend sollten die Programme künftig zusätzlich auf ihre Potenziale für die deutsche Wirtschaft hin analysiert und konzipiert werden. Dabei wird ein gemeinsamer Auftritt als „Team Deutschland“ angestrebt, bestehend aus relevanten Akteuren sowohl aus der Außenwirtschaftsförderung als auch der Entwicklungszusammenarbeit.

Partnerländer setzen sich für mehr Handel und Investitionen ein

Vertreter von Partnerregierungen fordern immer wieder ein Engagement der deutschen Wirtschaft in ihren Ländern ein. Handel und Investitionen sind für viele von ihnen der Schlüssel zu Beschäftigung und nachhaltigem Wohlstand. Daher setzen auch sie sich dafür ein, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihren Fokus vermehrt auf den Ausbau wirtschaftlicher Kooperationen legt.

Organisationen der Außenwirtschaft stärken

Viele der gemeinsam durchgeführten Programme könnten ein größeres Engagement deutscher Unternehmen vor Ort ermöglichen, vor allem durch die verstärkte Nutzung unternehmensnaher Instrumente. Dazu gehören insbesondere Unternehmensreisen, Messeteilnahmen, Wirtschaftsveranstaltungen sowie individuelle Unternehmensberatungen.

Diese Aktivitäten sollten von den Akteuren der Außenwirtschaftsförderung (Auslandshandelskammern, Ländervereinen und Fachverbänden) durchgeführt werden, da sie über die erforderliche Erfahrung und Kompetenz im Bereich von Match-Making-Maßnahmen verfügen. Finanziert werden die entsprechenden Maßnahmen aus den Mitteln der bilateralen Zusammenarbeit des BMZ. Wichtig ist dabei eine enge Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, um Überschneidungen mit dem Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung zu vermeiden.

Quelle: DIHK

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Inflation für 7 von 9 Haushaltstypen leicht über Zielrate der EZB, doch Rückgang ist absehbar

Die Inflationsrate in Deutschland ist im September auf 2,4 Prozent gestiegen und liegt damit aktuell über dem Inflationsziel der EZB von 2,0 Prozent. Bereits im laufenden Oktober dürfte die Inflation wieder sinken und „sehr nah am Inflationsziel der EZB liegen“. Von neun verschiedenen Haushaltstypen hatten im September sieben eine haushaltsspezifische Teuerung etwas oberhalb des EZB-Zielwerts. Lediglich Alleinlebende mit geringen Einkommen lagen etwas darunter, Familien mit niedrigen Einkommen genau bei 2,0 Prozent, zeigt der neue Inflationsmonitor des IMK der Hans-Böckler-Stiftung.

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 20.10.2025

Die Inflationsrate in Deutschland ist im September auf 2,4 Prozent gestiegen und liegt damit aktuell über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Der Anstieg um 0,2 Prozentpunkte gegenüber August beruhte aber vor allem darauf, dass der Rohölpreis im Referenzmonat September 2024 seinen Jahrestiefpunkt erreichte. In der Folge lagen nicht nur die Kraftstoffpreise ebenfalls auf einem Jahrestiefstand, sondern auch die Preise für Pauschalreisen und Flüge waren auf niedrigem Niveau. Die entsprechend starke Teuerung von Pauschal- und Flugreisen im September 2025 erklärt zusammen mit zeitlich begrenzten Sondereffekten wie einem für die Saison untypischen Anstieg der Hotelpreise im Bundesland Nordrhein-Westfalen größtenteils den Anstieg der Teuerung bei Dienstleistungen. Bereits im laufenden Oktober dürfte die Inflation wieder sinken und „sehr nah am Inflationsziel der EZB liegen“, prognostiziert Dr. Silke Tober, Geldpolitikexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Von neun verschiedenen Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, hatten im September sieben eine haushaltsspezifische Teuerung etwas oberhalb des EZB-Zielwerts. Lediglich Alleinlebende mit geringen Einkommen lagen mit 1,8 Prozent haushaltsspezifischer Teuerungsrate etwas darunter, Familien mit niedrigen Einkommen genau bei 2,0 Prozent, zeigt der neue Inflationsmonitor des IMK.

Insgesamt reichte die Spannbreite der haushaltsspezifischen Inflationsraten im September von 1,8 bis 2,3 Prozent, der Unterschied lag also bei relativ geringen 0,5 Prozentpunkten. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 betrug die Spanne 3,1 Prozentpunkte. Während Haushalte mit niedrigen Einkommen, insbesondere Familien, während des akuten Teuerungsschubs der Jahre 2022 und 2023 eine deutlich höhere Inflation schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate in den vergangenen Monaten etwas unterdurchschnittlich. Im langfristigen Vergleich über die vergangenen sechs Jahre hatten einkommensschwache Familien mit zusammengenommen 22,8 Prozent seit September 2019 gleichwohl die höchste Teuerungsrate zu verkraften. Das liegt daran, dass in ihren Warenkörben Güter des Grundbedarfs wie Lebensmittel und Energie ein hohes Gewicht haben, die nach der russischen Invasion in die Ukraine 2022 für längere Zeit die stärksten Preistreiber waren. Familien mit mittleren Einkommen folgten mit 22,6 Prozent kumulierter Teuerung.

Dagegen war die Inflation bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen mit 20,7 Prozent im Gesamtzeitraum am niedrigsten, während sie im September 2025 mit 2,3 Prozent etwas höher lag als bei den anderen Haushalten. Genauso hoch war im September die Teuerungsrate von Familien mit hohen Einkommen. Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass die konsumstarken Haushaltstypen mit hohen Einkommen stärker Dienstleistungen nachfragen, die sich derzeit noch merklich verteuern, etwa Versicherungsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen.

Paarfamilien und Paare ohne Kinder mit jeweils mittleren Einkommen verzeichneten im September eine Inflationsrate von 2,2 Prozent. Bei Alleinlebenden und Alleinerziehenden mit mittleren Einkommen sowie bei Alleinlebenden mit höheren Einkommen verteuerte sich der jeweilige Warenkorb um je 2,1 Prozent.

Inflationslage entspannt, trotz des kurzfristigen Anstiegs

Die Inflation in Deutschland und im Euroraum werde wieder etwas sinken und im weiteren Jahresverlauf sehr nahe am EZB-Inflationsziel von 2,0 Prozent und 2026 sogar darunter liegen, erwartet Inflationsexpertin Tober. Gleichzeitig belasteten US-Zölle, weiterhin hohe Energiepreise und die starke Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn die Wirtschaft – im ganzen Euroraum, der insgesamt von Investitionsschwäche geprägt sei, aber insbesondere in Deutschland. „Bis die staatlichen Investitionen in Deutschland an Breite gewinnen, wird auch die Unsicherheit hoch bleiben“, warnt die Ökonomin „Daher sollte die EZB die Zinsen erneut senken und damit einen Beitrag zur Stärkung der Investitionstätigkeit insgesamt leisten.“

Lebensmittel um gut 39 Prozent, Energie um knapp 36 Prozent teurer als im September 2019

Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten). In einer Datenbank liefert der IMK Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.

Zwar dürfte die in den Jahren 2022 und 2023 entstandene Kaufkraftlücke bei den meisten Haushalten mittlerweile durch Lohnsteigerungen und wirtschaftspolitische Entlastungen weitgehend geschlossen sein, analysiert Tober. Unabhängig davon dokumentiert der längerfristige Vergleich von Preisen, den die Forscherin in ihrem neuen Bericht ebenfalls anstellt, die seitdem stark erhöhten Preisniveaus gerade von Waren des Grundbedarfs: Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke lagen im September 2025 um 39,3 Prozent höher als im September 2019, also vor Pandemie und Ukrainekrieg. Damit war die Teuerung für diese unverzichtbaren Basisprodukte mehr als dreimal so stark wie mit der EZB-Zielinflation von kumuliert 12,6 Prozent in diesem Zeitraum vereinbar. Energie war trotz der Preisrückgänge in den vergangenen beiden Jahren um 35,8 Prozent teurer als 2019, darunter Haushaltsenergie um 45,4 Prozent und Kraftstoffe um 22,6 Prozent.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

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Highspeed-Internet: Gericht verbietet Werbung von 1&1

Die Glasfaser-Werbung auf der Internetseite des Anbieters 1&1 vermittelte einen falschen Eindruck: Auch für Verbraucher mit Kupferleitung auf der letzten Meile schien Highspeed-Internet verfügbar, ein sog. Glasfaser-DSL-Tarif war buchbar. Nach Verbraucherbeschwerden reichte der vzbv Klage ein. Das LG Koblenz hat den Verstoß wegen Irreführung bestätigt (Az. 3 HK O 69/24).

vzbv, Pressemitteilung vom 20.10.2025 zum Urteil 3 HK O 69/24 des LG Koblenz vom 16.09.2025 (nrkr)

Landgericht Koblenz gibt Klage der Verbraucherzentrale gegen die 1&1 Telecommunication SE wegen Irreführung statt

  • Internetanbieter suggerierte Verbraucher:innen, dass ein Glasfaseranschluss vorliege – trotz teilweise vorhandener Kupferleitung
  • Der Verfügbarkeitstest auf der Internetseite des Anbieters wurde positiv dargestellt, auch wenn Highspeed-Internet nicht verfügbar war
  • LG Koblenz bestätigt Wettbewerbsverstoß

Die Glasfaser-Werbung auf der Internetseite des Anbieters 1&1 vermittelte einen falschen Eindruck: Auch für Verbraucher:innen mit Kupferleitung auf der letzten Meile schien Highspeed-Internet verfügbar, ein sog. Glasfaser-DSL-Tarif war buchbar. Nach Verbraucherbeschwerden reichte der Verbraucherzentrale Bundesverband Klage ein. Das Landgericht Koblenz hat den Verstoß wegen Irreführung bestätigt.

Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands: „Wer scheinbar Glasfaser verspricht, aber nur DSL liefern kann, täuscht Verbraucherinnen und Verbraucher. Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nicht mit falschen Highspeed-Internet-Verheißungen zum Vertragsabschluss bewogen werden.“

Glasfaser-Tarife beworben – herkömmliches DSL angeboten

Auf der Internetseite des Anbieters können Verbraucher:innen prüfen, ob Glasfaser bei ihnen zu Hause verfügbar ist und ob sie einen entsprechenden Tarif buchen können. Nach Eingabe der Adresse wurden zum Zeitpunkt der Abmahnung positive Ergebnisse angezeigt, auch wenn Verbraucher:innen – wegen noch vorhandener Kupferleitungen – lediglich DSL-Tarife nutzen konnten. Das „Check-Ergebnis“ besagte: „1&1 Glasfaser-DSL-Anschluss verfügbar“, begleitet von einem großen grünen Haken zur Bestätigung.

Die direkt unter dem Check-Ergebnis aufgeführten Tarife mit der Bezeichnung „1&1 Glasfaser-DSL“ waren allerdings keine Glasfasertarife. Tatsächlich angeboten wurden herkömmliche DSL-Tarife.

Werbung für angebliche Glasfasertarife war irreführend

Das Landgericht Koblenz schloss sich der Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands an, dass die strittige Werbung irreführend ist. Sie suggeriere, dass bei einem positiven Check-Ergebnis ein vollwertiger Gasfaseranschluss an der Adresse der Verbraucher:innen vorhanden ist. Es werde zugleich der Eindruck erweckt, dass bei den angebotenen Tarifen die Glasfaserkabel direkt bis zum Gebäude oder in die Wohnung reichen würden. Tatsächlich bezögen sich die Verfügbarkeitsprüfung und das Tarifangebot auf einen „Vectoring-Anschluss“, bei dem Glasfaserkabel lediglich bis zum Verteilerkasten verlegt sind und der letzte Abschnitt bis ins Gebäude über Kupferkabel erfolgt. Entgegen der in der Werbung geschürten Erwartung handele es sich daher um DSL-Tarife.

Das Ergebnis der Verfügbarkeitsprüfung bei 1&1 enthielt zwar versteckte Hinweise darauf, dass die „Glasfaser-DSL“-Tarife keine echten Glasfasertarife seien. Das reichte aber nach Überzeugung des Gerichts nicht aus, um die Irreführung der Verbraucher:innen aufzuheben. Es gebe für sie keinen Anlass und schon gar keine Verpflichtung, sich nach Informationen umzusehen, die der durch die Werbung erzeugten Annahme eines echten Glasfaseranschlusses entgegenstehen.

Urteil des LG Koblenz vom 16.09.2025, Az. 3 HK O 69/24. – nicht rechtskräftig. 1&1 ist gegen das Urteil in Berufung gegangen (Az. 9 U 990/25).

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

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Kompetenzmessung Aufnahme Gymnasium, Zwischenentscheidung: vorläufige Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen

Der VGH Baden-Württemberg hat die Vollziehung des Beschlusses des VG Sigmaringen vom 22. September 2025 vorerst ausgesetzt. Damit ist das Land Baden-Württemberg zunächst, bis zur Entscheidung über seine Beschwerde, nicht verpflichtet, dem Antragsteller die Teilnahme an einer Kompetenzmessung bis zum 31. Oktober 2025 zu ermöglichen (Az. 9 S 1947/25).

VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss 9 S 1947/25 vom 16.10.2025

Mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 16. Oktober 2025 hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. September 2025 – 4 K 3208/25 – vorerst ausgesetzt. Damit ist das Land Baden-Württemberg zunächst, bis zur Entscheidung über seine Beschwerde, nicht verpflichtet, dem Antragsteller die Teilnahme an einer Kompetenzmessung bis zum 31. Oktober 2025 zu ermöglichen.

Hintergrund und Sachverhalt

Hintergrund der Entscheidung ist die am 04.02.2025 in Kraft getretene Neuregelung des § 88 Abs. 3 Satz 2 Schulgesetz. Dieser setzt für die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in das allgemeinbildende Gymnasium neben einem entsprechenden Elternwillen entweder eine Empfehlung der Grundschule oder die erfolgreiche Teilnahme an einer Kompetenzmessung voraus. Kann ein Schüler oder eine Schülerin beides nicht vorweisen, ermöglicht die erfolgreiche (freiwillige) Teilnahme am Potenzialtest die Aufnahme ins Gymnasium.

Der Antragsteller hat als Schüler der 4. Grundschulklasse im November 2024 am „Kompass4“-Test und im Februar 2025 am Potenzialtest teilgenommen, ohne das für den Besuch eines Gymnasiums erforderliche Niveau zu erreichen. Seine Grundschule stellte ihm ebenfalls nicht die erforderliche Empfehlung aus. Daraufhin ersuchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Sigmaringen um einstweiligen Rechtsschutz. Dieses gab dem Antrag mit Beschluss vom 22. September 2025 teilweise statt und verpflichtete das Land Baden-Württemberg per einstweiliger Anordnung, dem Antragsteller die Teilnahme an einer Kompetenzmessung bis zum 31. Oktober 2025 zu ermöglichen. Soweit der Antragsteller die Feststellung begehrte, den Potenzialtest bestanden zu haben beziehungsweise dessen Wiederholung begehrte, blieb der Antrag ohne Erfolg (zu den Einzelheiten vgl. Pressemitteilung des VG Sigmaringen vom 25. September 2025).

Gegen diesen Beschluss legten sowohl der Antragsteller als auch das Land (der Antragsgegner) Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist. Das Land Baden-Württemberg hat gleichzeitig mit der Beschwerde den Antrag gestellt, die Vollziehung des erstinstanzlichen Beschlusses – also die Verpflichtung dem Schüler bis zum 31. Oktober die Teilnahme an der Kompetenzmessung zu ermöglichen – auszusetzen.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Diesem Antrag auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung hat der 9. Senat stattgegeben. In den Gründen kommt er zu dem Ergebnis, dass ein Obsiegen des Antragsgegners mit seiner Beschwerde überwiegend wahrscheinlich ist. Es sei voraussichtlich rechtswidrig, das Land zur Durchführung einer Kompetenzmessung bis zum 31. Oktober 2025 zu verpflichten. Die Kompetenzmessung als Teil der Eignungsfeststellung für den weiteren Bildungsweg finde in zeitlicher Hinsicht in einem eng begrenzten Rahmen statt, nämlich bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Wiederholung einer solchen Prüfung scheide aus. Sie verfehlte Sinn und Zweck dieses auf die Phase des Übergangs von der Grundschule auf eine weiterführende Schule fixierten Eignungsfeststellungsverfahrens. Der Antragsteller dürfte sowohl bezogen auf sein Lebensalter als auch auf seine schulische Erfahrung über ein deutlich höheres Kompetenzniveau verfügen als zu dem für die Kompetenzmessung normativ vorgesehenen Zeitpunkt. Da das Ergebnis einer jetzt durchgeführten Kompetenzmessung in keinem Fall verwertbar sein werde, sei eine Belastung des erst zehnjährigen Antragstellers mit einer Prüfung bzw. den Umständen einer Prüfungssituation überflüssig.

Hinweis: Es handelt sich um eine Zwischenentscheidung, diese ist unanfechtbar. Die Entscheidung in dem Beschwerdeverfahren wird in den nächsten Wochen ergehen (Az. 9 S 1947/25).

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

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Zugangsvoraussetzungen zum Gymnasium für Schüler privater Grundschulen – Beschwerde eines Schülers erfolgreich

Der VGH Baden-Württemberg hat einem Antragsteller aus dem Rhein-Neckar-Raum auf seine Beschwerde die vorläufige Teilnahme am Unterricht der 5. Klasse eines privaten staatlich anerkannten Gymnasiums im Schuljahr 2025/2026 gestattet (Az. 9 S 1573/25).

VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss 9 S 1573/25 vom 11.09.2025

Mit Beschluss vom 11. September 2025 hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) einem Antragsteller aus dem Rhein-Neckar-Raum auf seine Beschwerde die vorläufige Teilnahme am Unterricht der 5. Klasse eines privaten staatlich anerkannten Gymnasiums im Schuljahr 2025/2026 gestattet. Den Beteiligten wurden heute die vollständigen Entscheidungsgründe bekanntgegeben.

Hintergrund und Sachverhalt

Nach der am 4. Februar 2025 in Kraft getretenen Neuregelung des § 88 Abs. 3 Satz 2 Schulgesetz setzt die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in das allgemeinbildende Gymnasium neben einem entsprechenden Elternwillen entweder eine Empfehlung der Grundschule oder die erfolgreiche Teilnahme an einer Kompetenzmessung (sog. Kompass 4-Test) voraus. Kann ein Schüler oder eine Schülerin eines davon nicht vorweisen, ermöglicht die erfolgreiche (freiwillige) Teilnahme am Potenzialtest die Aufnahme ins Gymnasium. Einzelheiten des Aufnahmeverfahrens sind in der am 5. Februar 2025 in Kraft getretenen Aufnahmeverordnung enthalten. Die Schulbehörden haben Schülerinnen und Schülern privater, nicht staatlich anerkannter Grundschulen die Teilnahme an der Kompetenzmessung nicht gestattet.

Der Antragsteller war bis zur 4. Klasse Schüler einer genehmigten Grundschule in privater Trägerschaft, die noch nicht staatlich anerkannt ist. Da diese ihm eine „Empfehlung“ für den Besuch des Gymnasiums ausstellte, schlossen die Eltern mit einem privaten staatlich anerkannten Gymnasium (Antragsgegnerin) einen Schulvertrag. Der Antragsteller nahm am 18. Februar 2025 am Potenzialtest teil, weil nach Auffassung der Antragsgegnerin die „Empfehlung“ seiner Grundschule nicht verbindlich und damit nicht ausreichend war. Das Ergebnis entsprach nicht dem Anforderungsniveau des am Gymnasium oder an der Gemeinschaftsschule zur Hochschulreife führenden Niveaus. Das private Gymnasium lehnte daraufhin die Aufnahme des Antragstellers ab und kündigte den Schulvertrag unter Hinweis auf seine Verpflichtung, die Vorschriften des staatlichen Aufnahmeverfahrens einzuhalten.

Einen Eilantrag, mit dem der Antragsteller die vorläufige Teilnahme am Unterricht der Klassenstufe 5 eines Gymnasiums erreichen wollte, lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 8. August 2025 – 7 K 5575/25 – ab (zu den Einzelheiten vgl. Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 13.08.2025).

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

In seinem Beschluss vom 11. September 2025 gab der Senat der Beschwerde statt, weil für den Antragsteller nach den Regelungen des Schulgesetzes keine Möglichkeit bestehe, die Aufnahmevoraussetzungen für ein staatlich anerkanntes (oder staatliches) Gymnasium nachzuweisen. Da die aufgeworfenen Rechtsfragen schwierig und in einem Eilverfahren nicht abschließend zu klären seien, führe eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der bisherigen guten Leistungen des Antragstellers dazu, ihm vorläufig die Teilnahme am Unterricht eines Gymnasiums zu gestatten.

Der Senat hat in seiner Entscheidung ausgeführt, es sei zutreffend, dass ein staatlich anerkanntes Gymnasium in privater Trägerschaft verpflichtet sei, die Aufnahmevoraussetzungen des § 88 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 Schulgesetz sowie der Aufnahmeverordnung zu beachten. Richtig sei nach derzeitiger Rechtslage auch, dass Schüler einer privaten nicht staatlich anerkannten Grundschule von der Kompetenzmessung ausgeschlossen seien. Ob dieser Ausschluss verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, könne im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Eine Nachholung der Kompetenzmessung für Schülerinnen und Schüler einer genehmigten Grundschule in privater Trägerschaft komme nicht in Betracht. Denn das wieder eingeführte Eignungsfeststellungsverfahren sei zeitlich auf die Phase des Übergangs von der Grundschule auf eine weiterführende Schule fixiert und müsse bis zum Ende der Grundschulzeit abgeschlossen sein.

Die private Grundschule des Antragstellers könne mangels staatlicher Anerkennung keine bindende Gymnasialempfehlung ausstellen. Die vorgelegte „Grundschulempfehlung“ genüge daher nicht den Anforderungen der Aufnahmeverordnung.

Hinsichtlich des Potenzialtests hat der Senat Bedenken, ob dafür eine hinreichende gesetzliche Grundlage besteht. Denn die Aufnahmeverordnung, die – im Grundsatz zulässigerweise – die Einzelheiten des Potenzialtests regelt, lege nicht konkret fest, wann der Test als bestanden gelte und den Besuch eines Gymnasiums ermögliche. Dass eine Festlegung der Bestehensgrenze in einer Handreichung des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) genügen könnte, hält er für zweifelhaft, lässt diese Frage aber offen.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (Az. 9 S 1573/25).

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

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Wiedereinführung verbindliche Grundschulempfehlung – Beschwerde zweier Schüler zurückgewiesen

Der VGH Baden-Württemberg hat die Beschwerde zweier Antragsteller aus dem Rems-Murr-Kreis zurückgewiesen, mit denen sie sich gegen die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung wenden. Der Senat äußert zwar wesentliche Bedenken in Bezug auf einige Teile der Neuregelungen, lehnt den Antrag auf vorläufige Aufnahme in ein Gymnasium im Ergebnis aber ab (Az. 9 S 1124/25).

VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss 9 S 1124/25 vom 15.09.2025

Mit Beschluss vom 15. September 2025 hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) die Beschwerde zweier Antragsteller aus dem Rems-Murr-Kreis zurückgewiesen, mit denen sie sich gegen die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung wenden. Der Senat äußert zwar wesentliche Bedenken in Bezug auf einige Teile der Neuregelungen, lehnt den Antrag auf vorläufige Aufnahme in ein Gymnasium im Ergebnis aber ab. Heute wurden den Beteiligten die vollständigen Entscheidungsgründe bekannt gegeben.

Hintergrund und Sachverhalt

Nach der am 4. Februar 2025 in Kraft getretenen Neuregelung des § 88 Abs. 3 Satz 2 Schulgesetz setzt die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in das allgemeinbildende Gymnasium neben einem entsprechenden Elternwillen entweder eine Empfehlung der Grundschule oder die erfolgreiche Teilnahme an einer Kompetenzmessung (sog. Kompass 4-Test) voraus. Kann ein Schüler oder eine Schülerin weder erfolgreiche Kompetenzmessung noch Empfehlung der Grundschule vorweisen, ermöglicht die erfolgreiche (freiwillige) Teilnahme am Potenzialtest die Aufnahme ins Gymnasium. Einzelheiten des Aufnahmeverfahrens sind in der am 5. Februar 2025 in Kraft getretenen Aufnahmeverordnung enthalten.

Die Antragsteller haben als Schüler der 4. Grundschulklasse an der Kompetenzmessung teilgenommen, ohne das für den Besuch eines Gymnasiums erforderliche Niveau zu erreichen. Auch die Grundschule stellte ihnen nicht die erforderliche Empfehlung aus. Nachdem auch der Potenzialtest erfolglos blieb, verweigerte ihnen das Gymnasium die Aufnahme. Einen Eilantrag, mit dem sie die vorläufige Teilnahme am Unterricht der Klassenstufe 5 eines Gymnasiums erreichen wollten, lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 10. Juni 2025 – 12 K 3938/25 – ab.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

In seinem Beschluss vom 15. September 2025, mit dem er die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen hat, äußert der Senat Bedenken, ob es für die derzeitige Regelung und Praxis über die Zugangsvoraussetzungen zum Gymnasium eine ausreichende gesetzliche Grundlage gibt.

Da die aufgeworfenen Rechtsfragen schwierig und infolgedessen einer abschließenden Klärung im Eilverfahren nicht zugänglich sind, hat der Senat die Folgen abgewogen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für die Antragsteller verbunden sind. Unter Berücksichtigung der bisherigen Leistungen der Antragsteller in der Grundschule und mit Blick auf eine drohende Überforderung im Gymnasium hat er deren Antrag abgelehnt.

Die rechtlichen Bedenken des Senats bestehen dahingehend, ob es für den Potenzialtest eine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt. Denn die Aufnahmeverordnung, die – im Grundsatz zulässigerweise – die Einzelheiten des Potenzialtests regelt, lege nicht konkret fest, wann der Test als bestanden gelte und den Besuch eines Gymnasiums ermögliche. Dass eine Festlegung der Bestehensgrenze in einer Handreichung des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) genügen könnte, hält der Senat für zweifelhaft, lässt diese Frage im Eilverfahren aber offen.

Ebenso offen lässt der Senat die Frage, ob es rechtmäßig war, die bereits im November 2024 durchgeführte Kompetenzmessung im Rahmen des Eignungsfeststellungsverfahrens für das kommende Schuljahr 2025/2026 heranzuziehen. Im Zeitpunkt der Durchführung des Tests seien die Neuregelung im Schulgesetz und die neue Aufnahmeverordnung noch nicht in Kraft gewesen. Einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sieht der Senat nicht, hat aber auch hier Zweifel, ob es eine hinreichende gesetzliche Grundlage gegeben hat.

Die Einwände der Antragsteller gegen die Grundschulempfehlung weist der Senat zurück, hat aber verfassungsrechtliche Bedenken, ob im Falle eines Wegfalls des Potenzialtests und der Kompetenzmessung die allein verbleibende Empfehlung der Grundschule, der seit der Neuregelung (wieder) Verbindlichkeit zukommt, den grundrechtlich geschützten Vorstellungen der Eltern über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder entgegengehalten werden kann.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az. 9 S 1124/25).

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

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Corona-Quarantäne: Hertha BSC bekommt Mitarbeiterlohn nicht vom Land Berlin erstattet

Hertha BSC hat keinen Anspruch gegen das Land Berlin auf Erstattung von Gehältern, die der Verein an Mitarbeiter für Zeiten geleistet hat, in denen sich diese als Kontaktpersonen in Corona-Quarantäne befanden. Das hat das VG Berlin entschieden (Az. VG 32 K 168/24).

VG Berlin, Pressemitteilung vom 17.10.2025 zum Urteil VG 32 K 168/24 vom 13.10.2025

Hertha BSC hat keinen Anspruch gegen das Land Berlin auf Erstattung von Gehältern, die der Verein an Mitarbeiter für Zeiten geleistet hat, in denen sich diese als Kontaktpersonen in Corona-Quarantäne befanden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Im April 2021 wurden mehrere Spieler aus der Lizenzspielermannschaft sowie Mitarbeiter des Betreuerstabs von Hertha BSC positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet. Daraufhin begaben sich insgesamt 49 Personen aus Mannschaft und Betreuerstab als Kontaktpersonen in eine 13-tägige Quarantäne. Drei Bundesligaspiele mussten deshalb abgesagt werden; sie wurden im Mai 2021 nachgeholt. Im April 2023 beantragte Hertha BSC auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes beim Land Berlin die Erstattung der trotz der Quarantäne weitergezahlten Gehälter (u. a. für Physiotherapeuten, Zeugwarte und Teile des Trainerteams). Die Erstattungsanträge für 13 Mitarbeiter des Betreuerstabes lehnte die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen vollumfänglich oder weit überwiegend ab. Hiergegen erhob Hertha BSC Klage.

Die 32. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage abgewiesen. Aus dem Infektionsschutzgesetz folge kein Anspruch des Vereins auf Erstattung der für den Quarantänezeitraum geleisteten Gehälter. Der Erstattungsanspruch sei ausgeschlossen, da Hertha BSC aus arbeitsrechtlichen Gründen dazu verpflichtet gewesen sei, auch während der 13-tägigen Quarantäne die Entgelte der Mitarbeiter fortzuzahlen. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch behalte ein Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch grundsätzlich auch dann, wenn er unverschuldet für einen „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum“ nicht arbeiten konnte. Das sei bei einer behördlich angeordneten Quarantäne von bis zu 14 Tagen anzunehmen. Der Verein könne sich nicht darauf berufen, dass für den Bereich des Profifußballs eine kürzere Zeitspanne gelten müsse. Besonderheiten des Profifußballs spielten allenfalls eine untergeordnete Rolle, da Spieler hier nicht betroffen seien. Zudem sei absehbar gewesen, dass Mitarbeiter aufgrund des pandemischen Infektionsgeschehens zeitweise ausfallen könnten. Überdies habe der zur Quarantäneanordnung führende Kontakt während der Arbeitszeit im Trainingsbetrieb stattgefunden. Schließlich hätten auch die abgesagten Bundesligaspiele nachgeholt werden können.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

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Keine Befangenheit: Richter dürfen auf den Tisch hauen und harte Worte gebrauchen

Ein Richter, der „auf den Tisch haut“ und sich mit Schärfe äußert, ist deswegen nicht gleich befangen. Der Kontext entscheide. Auf diese Entscheidung des OLG München macht die BRAK aufmerksam (Az. 19 U 2796/24 e).

BRAK, Mitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss 19 U 2796/24 e des OLG München vom 26.09.2025

Ein Richter, der „auf den Tisch haut“ und sich mit Schärfe äußert, ist deswegen nicht gleich befangen, so das OLG München. Der Kontext entscheide.

Das OLG München hat zwei Ablehnungsgesuche gegen einen Richter und eine Richterin zurückgewiesen. Das Gericht stellte klar, dass deutliche oder scharfe Äußerungen, sofern sie sich auf die Sachebene beschränken und keine persönliche Missachtung ausdrücken, nicht zur Besorgnis der Befangenheit führen. Bloße Unmutsäußerungen des Richters und erst recht durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen begründeten ebenfalls nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Eine Besorgnis der Befangenheit liege nur dann vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund bestehe, der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (Beschluss vom 26.09.2025, Az. 19 U 2796/24 e).

Ausgangspunkt des Verfahrens war ein zivilrechtlicher Streit um die Rückzahlung eines Darlehens. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung reichten die beklagten Parteien ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden sowie die Berichterstatterin ein. Beanstandet wurde insbesondere ein Schlag des Vorsitzenden Richters mit der flachen Hand auf den Richtertisch sowie eine von der Berichterstatterin geäußerte Formulierung, die als parteiisch empfunden wurde („Lassen Sie diese Spielchen.“).

Beide abgelehnten Richter gaben dienstliche Stellungnahmen ab, in denen sie die Äußerungen erklärten. Der Vorsitzende Richter betonte, seine Handlung habe dem Nachdruck auf prozessuale Mitwirkungspflichten gedient. Die Berichterstatterin erklärte, ihre Aussage sei vor dem Hintergrund erheblicher Zustellprobleme erfolgt, welche sich aus der Akte nachvollziehen ließen.

Emotion und Deutlichkeit im Gerichtssaal – was zulässig ist

Das OLG stellte in seiner Entscheidung ausführlich dar, unter welchen Voraussetzungen eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen ist. Maßgeblich sei nicht die subjektive Sicht des Ablehnenden, sondern ein objektiver Maßstab: Aus der Perspektive einer verständigen Partei müsse ein nachvollziehbarer Grund bestehen, der berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters wecke. Dabei komme es nicht auf die tatsächliche innere Haltung des Richters an, sondern auf den äußeren Anschein.

Unsachliches Verhalten eines Richters stelle zwar einen Befangenheitsgrund dar, wenn es den Schluss auf die mangelnde Unvoreingenommenheit gegenüber einer Partei nahelege. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des Richters könnten daher die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Dagegen seien persönliche Spannungen zwischen einem Richter und den Prozessbevollmächtigten, richterliche Unmutsäußerungen, auch emotional geprägte Reaktionen oder pointierte Formulierungen grundsätzlich unbedenklich, solange sie sich auf die Sache bezögen. Streit, mag er auch emotional oder scharf geführt werden, gehöre schließlich zum Wesenskern eines kontradiktorischen Zivilprozessverfahrens. Die Rechtsprechung betone dabei seit Langem, dass auch Richter nicht stets und in jeder Situation „Engelsgeduld“ aufbringen müssten und nicht auch klare Worte gebrauchen dürften. Zwar werde an sie ein hohes Maß an Selbstdisziplin gestellt, gleichwohl sei eine menschliche Reaktion – selbst in energischer Form – nicht per se ein Ablehnungsgrund. Entscheidend sei stets der Kontext der Äußerung. Besonders durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen führten nicht zur Befangenheit.

Der Richter dürfe daher lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen. Es gehöre zur menschlichen und auch richterlichen Ausdrucksweise, Auffassungen – wie etwa Zustimmung oder Ablehnung – durch Modulation der Stimme Gehör und Gewicht zu verschaffen. Lebhafte Diskussionen und auch ein „unwirscher oder gar unnötig scharfer“ Ton seien unter bestimmten Umständen hinzunehmen.

Konkrete Bewertung des Verhaltens der abgelehnten Richter

Im konkreten Fall sah das OLG München keinen Anlass zur Annahme einer Besorgnis der Befangenheit: Es gebe am Verhalten der beiden abgelehnten Richter vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus nichts zu beanstanden.

Der Vorsitzende hatte seinen Schlag mit der flachen Hand auf den Richtertisch eingeräumt. Dieser habe laut dienstlicher Erklärung dazu gedient, die Prozessbevollmächtigte der Beklagtenseite auf ihre Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Hintergrund war, dass die Beklagten trotz gerichtlicher Hinweise bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt hatten, ein persönlich geladenes Parteimitglied ohne Entschuldigung fehlte und auf Fragen zu relevanten Aktenzeichen keine Auskünfte gegeben wurden. Eine Beklagte, zugleich Verfahrensbevollmächtigte, hatte im Termin zudem keine ausreichende Erklärung für das Fernbleiben einer anderen Beklagten und auch keine Vollmacht vorgelegt. Dass der Vorsitzende Richter daraufhin seinen Unmut entsprechend kundtat, erscheine angesichts des vorangegangenen, erheblichen Verstoßes der Beklagtenseite gegen ihre prozessualen Mitwirkungspflichten verständlich, so die Münchener Richterinnen und Richter.

Auch die Äußerung der beisitzenden Richterin, die Beklagten sollten „diese Spielchen“ unterlassen, sei im Gesamtzusammenhang eine nachvollziehbare Reaktion auf das Prozessverhalten der Beklagtenseite. Die Richterin bezog sich in ihrer dienstlichen Erklärung u. a. auf mehrfach misslungene Zustellversuche, die auf nicht funktionierende Kanzleianschriften und mangelnde Mitwirkung zurückzuführen gewesen seien. Angesichts dieser „mannigfaltigen Zustellprobleme“ erscheine auch die Unmutsaufwallung der abgelehnten Richterin aus objektiver Sicht nachvollziehbar, so das OLG.

Andere Darstellungen des Geschehens hätten die Beklagten nicht gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Im Ergebnis sah das Gericht keinerlei Hinweise auf eine unsachliche, voreingenommene oder parteiische Amtsausübung der beiden Richterinnen und Richter.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer

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