Ein Richter, der „auf den Tisch haut“ und sich mit Schärfe äußert, ist deswegen nicht gleich befangen. Der Kontext entscheide. Auf diese Entscheidung des OLG München macht die BRAK aufmerksam (Az. 19 U 2796/24 e).
BRAK, Mitteilung vom 20.10.2025 zum Beschluss 19 U 2796/24 e des OLG München vom 26.09.2025
Ein Richter, der „auf den Tisch haut“ und sich mit Schärfe äußert, ist deswegen nicht gleich befangen, so das OLG München. Der Kontext entscheide.
Das OLG München hat zwei Ablehnungsgesuche gegen einen Richter und eine Richterin zurückgewiesen. Das Gericht stellte klar, dass deutliche oder scharfe Äußerungen, sofern sie sich auf die Sachebene beschränken und keine persönliche Missachtung ausdrücken, nicht zur Besorgnis der Befangenheit führen. Bloße Unmutsäußerungen des Richters und erst recht durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen begründeten ebenfalls nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Eine Besorgnis der Befangenheit liege nur dann vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund bestehe, der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (Beschluss vom 26.09.2025, Az. 19 U 2796/24 e).
Ausgangspunkt des Verfahrens war ein zivilrechtlicher Streit um die Rückzahlung eines Darlehens. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung reichten die beklagten Parteien ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden sowie die Berichterstatterin ein. Beanstandet wurde insbesondere ein Schlag des Vorsitzenden Richters mit der flachen Hand auf den Richtertisch sowie eine von der Berichterstatterin geäußerte Formulierung, die als parteiisch empfunden wurde („Lassen Sie diese Spielchen.“).
Beide abgelehnten Richter gaben dienstliche Stellungnahmen ab, in denen sie die Äußerungen erklärten. Der Vorsitzende Richter betonte, seine Handlung habe dem Nachdruck auf prozessuale Mitwirkungspflichten gedient. Die Berichterstatterin erklärte, ihre Aussage sei vor dem Hintergrund erheblicher Zustellprobleme erfolgt, welche sich aus der Akte nachvollziehen ließen.
Emotion und Deutlichkeit im Gerichtssaal – was zulässig ist
Das OLG stellte in seiner Entscheidung ausführlich dar, unter welchen Voraussetzungen eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen ist. Maßgeblich sei nicht die subjektive Sicht des Ablehnenden, sondern ein objektiver Maßstab: Aus der Perspektive einer verständigen Partei müsse ein nachvollziehbarer Grund bestehen, der berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters wecke. Dabei komme es nicht auf die tatsächliche innere Haltung des Richters an, sondern auf den äußeren Anschein.
Unsachliches Verhalten eines Richters stelle zwar einen Befangenheitsgrund dar, wenn es den Schluss auf die mangelnde Unvoreingenommenheit gegenüber einer Partei nahelege. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des Richters könnten daher die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Dagegen seien persönliche Spannungen zwischen einem Richter und den Prozessbevollmächtigten, richterliche Unmutsäußerungen, auch emotional geprägte Reaktionen oder pointierte Formulierungen grundsätzlich unbedenklich, solange sie sich auf die Sache bezögen. Streit, mag er auch emotional oder scharf geführt werden, gehöre schließlich zum Wesenskern eines kontradiktorischen Zivilprozessverfahrens. Die Rechtsprechung betone dabei seit Langem, dass auch Richter nicht stets und in jeder Situation „Engelsgeduld“ aufbringen müssten und nicht auch klare Worte gebrauchen dürften. Zwar werde an sie ein hohes Maß an Selbstdisziplin gestellt, gleichwohl sei eine menschliche Reaktion – selbst in energischer Form – nicht per se ein Ablehnungsgrund. Entscheidend sei stets der Kontext der Äußerung. Besonders durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen führten nicht zur Befangenheit.
Der Richter dürfe daher lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen. Es gehöre zur menschlichen und auch richterlichen Ausdrucksweise, Auffassungen – wie etwa Zustimmung oder Ablehnung – durch Modulation der Stimme Gehör und Gewicht zu verschaffen. Lebhafte Diskussionen und auch ein „unwirscher oder gar unnötig scharfer“ Ton seien unter bestimmten Umständen hinzunehmen.
Konkrete Bewertung des Verhaltens der abgelehnten Richter
Im konkreten Fall sah das OLG München keinen Anlass zur Annahme einer Besorgnis der Befangenheit: Es gebe am Verhalten der beiden abgelehnten Richter vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus nichts zu beanstanden.
Der Vorsitzende hatte seinen Schlag mit der flachen Hand auf den Richtertisch eingeräumt. Dieser habe laut dienstlicher Erklärung dazu gedient, die Prozessbevollmächtigte der Beklagtenseite auf ihre Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Hintergrund war, dass die Beklagten trotz gerichtlicher Hinweise bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt hatten, ein persönlich geladenes Parteimitglied ohne Entschuldigung fehlte und auf Fragen zu relevanten Aktenzeichen keine Auskünfte gegeben wurden. Eine Beklagte, zugleich Verfahrensbevollmächtigte, hatte im Termin zudem keine ausreichende Erklärung für das Fernbleiben einer anderen Beklagten und auch keine Vollmacht vorgelegt. Dass der Vorsitzende Richter daraufhin seinen Unmut entsprechend kundtat, erscheine angesichts des vorangegangenen, erheblichen Verstoßes der Beklagtenseite gegen ihre prozessualen Mitwirkungspflichten verständlich, so die Münchener Richterinnen und Richter.
Auch die Äußerung der beisitzenden Richterin, die Beklagten sollten „diese Spielchen“ unterlassen, sei im Gesamtzusammenhang eine nachvollziehbare Reaktion auf das Prozessverhalten der Beklagtenseite. Die Richterin bezog sich in ihrer dienstlichen Erklärung u. a. auf mehrfach misslungene Zustellversuche, die auf nicht funktionierende Kanzleianschriften und mangelnde Mitwirkung zurückzuführen gewesen seien. Angesichts dieser „mannigfaltigen Zustellprobleme“ erscheine auch die Unmutsaufwallung der abgelehnten Richterin aus objektiver Sicht nachvollziehbar, so das OLG.
Andere Darstellungen des Geschehens hätten die Beklagten nicht gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Im Ergebnis sah das Gericht keinerlei Hinweise auf eine unsachliche, voreingenommene oder parteiische Amtsausübung der beiden Richterinnen und Richter.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer